Winter im Riesengebirge

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind, aber auch die gleiche bange Frage nach der weißen Weihnacht. Auch in diesem Jahr war es wieder so, dessen ungeachtet, es wurde wie in so vielen der letzten Jahre eine überwiegend grüne Weihnacht.

Nicht nur bei den Kindern, auch bei Erwachsenen, besonders in den Wintersportzentren, gab es enttäuschte Gesichter, geht es doch bei Letzteren auch um Arbeitsplätze.

Da wurden wieder Stimmen laut, die über den Klimawechsel klagten. Ältere Menschen erinnern sich an ihre Jugendzeit, als die Winter noch richtige Winter waren, so meinen sie zumindest. Die Erderwärmung spielte damals noch keine Rolle.

Aber auch in der Vergangenheit gab es viele Enttäuschungen, weil die weiße Pracht in dieser Zeit ausfiel. Selbst im Riesengebirge waren die Winter nicht immer schneesicher. Wetterkapriolen blieben nicht aus. Es gab frühe Schneefälle schon im September, Tauwetter im Januar und dann wieder heftige Schneefälle im März und später. Ich habe mehrere tausend Exemplare der Zeitschrift "Der Bote aus dem Riesengebirge" von 1812 bis 1914 durch geblättert und regelmäßig die Wetterberichte gelesen, ich weiß also von was ich spreche oder besser, von was ich schreibe.

Auch vor 113 Jahren gab es einen solch verrückten Winter. Der Schnee wollte und wollte nicht kommen. Baudenbesitzer, Hoteliers und Restaurantbetreiber, vor allem aber die zahlreichen Hörnerschlittenführer in den Gebirgsdörfern haderten mit ihrem Schicksal, welches in dieser Jahreszeit von Frost und Schnee abhing. Für viele Gebirgler, welche in der warmen Jahreszeit als Tagearbeiter, zumeist auf Baustellen ihr tägliches Brot verdienten, war ein richtiger Winter Überlebens wichtig. Unser allseits bekannter, "erster Koppenträger", Robert Fleiß aus Krummhübel ist ein Beispiel dafür. Nachdem er nach knapp einjährigem Engagement als Koppenbriefträger bei der Post entlassen wurde, war er viele Jahre als Gebirgsführer, Hörnerschlittenfahrer und auch bei der Eisgewinnung auf den beiden Teichen im Gebirge tätig.

Der Dezember 1898 brachte nur kurzzeitig Schnee und der Januar 1899 war überwiegend mild geblieben. Dann endlich kamen die solange ersehnten Flocken.

Dieses Ereignis war für die Zeitschrift "Der Bote aus dem Riesengebirge" Anlass nachfolgenden Beitrag, vom Einsender nur geringfügig geändert und mit Zwischentiteln versehen, am 07. Februar 1899 zu veröffentlichen:

Schlittenverkehr
"Nachdem in vergangener Woche ein ausgiebiger Schneefall selbst im Thale den Schlittenverkehr ermöglicht hatte, entfaltete sich am Sonntage auf dem Gebirge ein so reges Leben, wie es im Winter sehr selten zu beobachten ist. Niemand traute dem Bestande des Wetters so recht und wer einmal an einem Winterausflug überhaupt gedacht hatte, zögerte vorgestern nicht erst lange, sondern brachte sein Vorhaben sofort zur Ausführung. Zwar wehte ein scharfer Südost und trieb den Wanderern den körnigen Schnee unangenehm ins Gesicht, aber die Sonne lachte so verlockend vom fast wolkenlosen Himmel und das Gebirge präsentierte sich in der scharfen, klaren Winterluft so prächtig, dass es schwer wurde, der Versuchung, hinauf zuwandern, zu widerstehen. Beförderten die ersten Morgenzüge schon Sportschlittenfahrer und Schneeschuhläufer in reicher Zahl, so herrschte zu den Zehnuhrzügen ein solcher Andrang, wie man ihn sonst nur an den schönsten Sommersonntagen zu sehen gewöhnt ist. Als Hauptziele galten natürlich die Prinz Heinrichbaude, die Peterbaude und die Neue Schlesische Baude.




Auffahrt der Hörnerschlitten

Hermsdorf-Peterbaude
Vom Hermsdorfer Bahnhof setzte sich ein langer Zug von Hörner- und Jagdschlitten in Bewegung, den die überaus zahlreichen Sportschlittenfahrer aus Stadt und Dorf erheblich vergrößerten. Im Walde herrschte völlige Windstille. Die Bahn schien im besten Zustande, Holzrücker sausten mit schwer beladenem Schlitten zu Thale, hin und wieder kamen auch schon Hörnerschlitten mit fremden Gästen, die bereits am Sonnabend die Auffahrt unternommen hatten. Vom Breiten Steine an zeigte der Wald die herrlichsten Winterbilder. Die Stämme waren vom angetriebenen Schnee auf einer Seite völlig weiß, niedriges Fichtengebüsch lag fast im Schnee begraben. Vom Grün der Äste und Zweige sah man nur wenig. Den Draht der Telegraphenleitung umgab dicker Raureif. An einer Stelle, wo die winterliche Natur des Gebirges am besten zur Geltung kam, machte ein Photograph der Firma Stengel & Co in Dresden Momentaufnahmen. In der Peterbaude herrschte um 3 Uhr eine Fülle, dass kein Stuhl mehr zu haben war. Ungebundene Fröhlichkeit ließ aber über Alle mit der Überfüllung eines Lokals verknüpften Unannehmlichkeiten hinwegsehen, und aus hundert Kehlen klang die Mär von der Lindenwirtin oder das Lied vom Krug zum grünen Kranze. Der Ausblick von der Baude war wundervoll. Der scharfe Wind hatte alle Dünste hinweggefegt und weithin schweifte das Auge. Zobten, Probststeiner Spitzberg, Gröditzberg und andere. ferne Punkte lagen wie zum Greifen nahe. Am Schönsten aber war das abwechslungsvolle Bild des Hirschberger Thales, mit seinen Ortschaften, Hügeln und kleinen Wäldchen. Erhabene Größe sprach aus den weiten Schneeflächen der Kleinen Sturmhaube, des Silberkammes und weiterhin des massigen Brunnberges, an den sich der scharfe Grat des Ziegenrückens schließt. Die Talfahrt war nicht so angenehm, als man beim Aufstieg erhofft hatte. Die überaus zahlreichen Schlitten hatten tiefe Gleise gefahren, in denen es zu manchem Unfall kam. Noch gegen Abend ging ein langer Zug von Hörnerschlitten zur Baude hinauf, von der aus erst am Montage die Talfahrt angetreten wurde. In Folge der ungeheuren Nachfrage nach Pferden wurden am Sonntage auch leider Tiere verwendet, die keineswegs lammfromm waren. Es kamen auch einige kleinere Unfälle vor, die leicht größeren Umfang hätten annehmen können. Auch gibt es immer noch einzelne rücksichtslose Pferdeführer, welche beim Abstieg nicht den dafür eingerichteten Weg, sondern die Hauptbahn benutzen. Dem ungeachtet verlief der Tag für alle Gäste dieser Strecke auf das Angenehmste. Auch auf den anderen Bahnen entwickelte sich, wie gesagt, ein ungemein reges Leben.




Rodeln an der Peterbaude


Ankunft der Hörnerschlitten im Tal


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