Das Auswärtige Amt im Riesengebirge 1943 – 1945

Krummhübel

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

– Fortsetzung –

Die Kulturpolitsche Abteilung, zu der auch Missie gehörte, hatte ihren Hauptsitz im Post-Erholungsheim "Tannenhof". Die Büros befanden sich zum überwiegenden Teil in den Baracken auf dem Sportplatz. Ihr Leiter war damals Generalkonsul Noeldeke. Über die Anzahl der Baracken gibt es unterschiedliche Aussagen durch Zeitzeugen. In den Akten des AA ist nur von Baracke II. und III. die Rede. Weitere Büros befanden sich im Gasthaus "Zum Hirschen" und im Haus "Sonnenblick" in Querseiffen.



Gasthof Zum Hirschen, am Neuhäuserweg.
Büros der Kulturpolitischen Abteilung.




Haus Sonnenblick, Querseiffen.
Unterkünfte der Kulturpolitischen Abteilung.

Die Angestellten beider Baracken wohnten im Hotel "Deutsches Haus", im Erholungsheim "Tannenhof", in der Villa "Heinrichsruh" und im Gasthaus "Zum Hirschen", alles Häuser am Neuhäuserweg. Am Gehängeweg wohnte man im "Landhaus Leiser" und im "Landhaus Schneekoppe". Im Breitehau waren Angestellte im "Haus Hartmann" und in der "Pension Nöldner" untergebracht. Weitere Quartiere waren das "Waldheim Ursula" neben der Kaffeebaude, "Haus Gräbel" und "Hubertus" (Kurverwaltung) in der Hauptstraße und der Lomnitzhof in Querseiffen.



Waldheim Ursula, an derr Kaffeebaude 100.
Unterkunft der Kulturpolitischen Abteilung.

Missie:
Missie erfährt am Montag, den 03. Januar 1944, das es nach Krummhübel geht. Sie soll dort ein neues Bildarchiv aufbauen, das alte ist beim Angriff im November zerstört worden.

Ein guter Kollege, Adam von Trott (Jurist und Diplomat, Verbindungsmann zwischen Stauffenberg und dem Kreisauer Kreis, am 26. August 1944 in Berlin hingerichtet), ruft in Krummhübel den Grafen von der Schulenburg an, um mit ihm zu besprechen, wo sie unterkommen könnte. Der Graf, in dem Beitrag "Krummhübel vor 65 Jahren" bereits vorgestellt, hatte ihr ein gutes Quartier, ganz in der Nähe seines Wohnsitzes, der Villa "Hentschel", angeboten.

Sie lehnt das Angebot später ab, weil sie sich nicht von ihren Kolleginnen absondern möchte. Auch unnötiges Gerede möchte sie vermeiden.

Am Montag, den 17. Januar 1944 traf man in Hirschberg ein. Der örtliche Quartiermeister empfing sie in Skikleidung und brachte sie zu der elektrischen Lokalbahn. Eine halbe Stunde später war man in Krummhübel.

Dort empfing sie die Hälfte der ansässigen Belegschaft des AA. Graf von der Schulenburg war natürlich auch dabei, um Missie zu begrüßen und sie in ihr Quartier, der "Villa Christa", zu fahren. Das Haus liegt am Denkmalsweg, kurz hinter dem Kleinen Seiffen. Man hatte Mühe es zu finden. Danach lud der Graf Missie in seine Villa ein. Es gab köstlichen Kaffee und Sardinen auf Toast. Solche Köstlichkeiten waren im sechsten Kriegsjahr auch bei gut verdienenden Diplomaten nicht alltäglich.



Villa Christa, am Denkmalsweg.
Erstes Quartier von "Missie".

Ihr Quartier fand sie recht hübsch, auch mit dem Abendessen war sie zufrieden. Nur mit ihrem Zimmer haderte sie. "Die Beleuchtung ist miserabel, es gibt keine einzige Lampe, bei der man im Bett lesen könnte", so ihre Klage. Auch mit ihrer Zimmergenossin war sie nicht so recht zufrieden, ihre Interessen lagen weit auseinander, auch schnarchte sie. Sie wohnten zu elft im Haus, sieben Frauen und vier Männer. Die Besitzerin, Frau Hantzschmann, bot in der Saison insgesamt 14 Gästebetten an. Sie war also durch das AA fast ausgebucht.

Plötzlich gibt es für Missie eine neue Wohnmöglichkeit. Eine ehemalige Russischschülerin ihres Vaters, Jeanette S., arbeitet nicht nur hier, sondern besitzt auch ein kleines Chalet (frz.: ursprünglich "Sennhütte", heute auch Ferienhaus, -wohnung) ganz in der Nähe, mitten im Wald. Es ist ihr lieber, als die Gastfreundschaft des Grafen von der Schulenburg anzunehmen. Denn das könnte, wie schon gesagt, Gerede geben.

Als die Mutter von Jeanette S. zu Besuch kommt muss sie das Zimmer wieder räumen und zieht in die Nähe vom Tannenhof. Leider gibt es keine genauen Angaben zu dem neuen Quartier. Für Missie sind alle Häuser, zumindest im Breitehau und Ober-Krummhübel, Chalets und liegen immer mitten im Wald. Am Ende ihrer Zeit in Krummhübel zieht sie mit einer Freundin doch noch zum Grafen von der Schulenburg. Das Chalet liegt nach ihrer Aussage wieder in einem Wäldchen, im Park der Villa vom Grafen. Da er, wie bereits festgestellt in der Villa "Hentschel" wohnte, könnte es sich um das Haus "Heidelberg" handeln, denn es gehörte zum gleichen Grundstück.

Missie schreibt nach ihrer Ankunft am 18. Januar 1944 in ihr Tagebuch:( Seite 174/175) "Nach dem Frühstück begaben wir uns den Hügel hinunter in unser vorläufige Büro, den "Tannenhof", ein Gasthaus in der Nähe des Bahnhofs". Am nächsten Tag der folgende Eintrag:
"Das A. A. hat sämtliche Gasthäuser in der Umgebung beschlagnahmt und der Tannenhof soll eines seiner Büros werden".

Bei der Ankunft befinden sich im Tannenhof noch Soldaten, die herumlungerten, Bier tranken und keine Anstalten machten hinauszugehen. Wahrscheinlich war es bisher ein Erholungsheim der Wehrmacht. Dann folgt ein nächster Eintrag:
"Die Einheimischen scheinen über unsere Ankunft nicht übermäßig begeistert zu sein, da sie fürchten, dass Krummhübel so zur Zielscheibe für Bomben werden könnte. Auch ist der Fremdenverkehr gedrosselt worden".

Zeitzeugen:
Welche Erinnerungen haben nun Zeitzeugen aus damaliger Zeit? Über das größte und bekannteste Berghotel "Teichmannbaude" kann man aus den Akten des AA, außer das, wie schon erwähnt, der Gesandte Smend dort wohnte, nichts erfahren. Johannes Smend leitete einen Arbeitsstab zur Unterbringung der ausländischen Diplomaten.

Das Hotel gehörte vor dem Krieg der Braunkohlen AG, mit Sitz in Senftenberg, war aber damals wohl im Besitz des Reiches. Es ist davon auszugehen das in diesem Haus mit über 100 Betten weitere Mitarbeiter des AA wohnten bzw. auch Betten für hohen Besuch reserviert waren.

Viele Empfänge für besondere Gäste fanden hier statt. Heimatfreund (Hfd.) Günther Völkel berichtete, dass sein Vater dann immer den Auftrag erhielt, den Fahnenschmuck im Foyer des Hotels anzubringen. Oft musste er seinem Vater dabei zur Hand gehen. Der damalige Direktor ließ aber nach den Empfängen die Dekoration sofort wieder entfernen. Hochrangigster Besucher war zweifelsohne Herrmann Göring. Hfd. Hans-Eberhard Pohl hatte sich mit Freunden damals auf umliegenden Bäumen postiert um die Ankunft des Reichmarschalls zu erleben. Nach seiner Aussage dauerte der Besuch nur wenige Stunden.

In seinem Elternhaus, Nr.39 "Haus Lorenz" in Wolfshau, wohnte ein Mitarbeiter namens Zachowius, oder ähnlich. Er war wohl Botschaftssekretär, so erinnert sich Hfd. S. Lorenz.

Etwas weiter entfernt wohnte ein Mitarbeiter mit Namen Prange. Auch er hatte wohl seine Familie bei sich, denn mit einem Sohn war Rainer Frömberg befreundet. Über das weitere Schicksal von Prange ist nichts bekannt, außer das er nach dem Einmarsch der Roten Armee verhaftet wurde.

Renate Kerßenfischer aus Birkigt kann sich noch gut an die Baracken gegenüber dem Gerichtskretscham und auf dem Sportplatz erinnern. Als Schulkinder hatten sie vom AA gehört und waren neugierig, wie wohl so Diplomaten aussehen und wo sie beschäftigt waren. Also "inspizierten" sie beide Standorte.

Auch Missie bestätigt die Büros auf dem Sportplatz. Am Montag, 14. Februar 1944 kommt sie aus Berlin zu zurück und schreibt: "Das Büro ist aus dem Tannenhof in ein paar Baracken verlegt worden. Eine ganze Reihe von Baracken fehlte. Offenbar sind sie am Samstag abgebrannt". (12. Februar 1944)

"Die Jungens vom Arbeitsdienstlager in der Nähe haben zwar eine Menge Möbel gerettet, aber der größte Teil meines Bildarchivs ist zum zweiten Mal zerstört worden.
Es wird vermutet, dass ein fanatischer Kriegsgefangener der Täter ist".

Am Dienstag, 15. Februar 1944 zieht sie wieder in den Tannenhof. Zwei russische Kriegsgefangene (damit meint sie zweifelsohne die Aserbaidschaner) halfen ihr die Möbel heraufzuschaffen. Sie gab ihnen Brotmarken und Zigaretten.

Baracken waren auch am "Haus Cäcilie", dem Wohnhaus von unserem Heimatdichter Richard Anton, am Pfaffenberg in Steinseiffen, an den Tennisplätzen bei "Dreyhaupt´s Hotel" und in Brückenberg, aufgebaut. In diesen Baracken war wohl nur Inventar des AA eingelagert.

Erich Franz Sommer berichtet in seinem Buch "Geboren in Moskau" darüber:
"Graf von der Schulenburg war einer der bestbezahltesten deutschen Diplomaten. Bereits 1936 hatte er die halbverfallende Burg Falkenberg in der Oberpfalz gekauft und denkmalsgerecht restauriert. Sein Interesse galt auch aus diesem Grund antiken Möbelstücken, die in Depots in und um Krummhübel aus Beständen deutscher Auslandsmissionen eingelagert waren und nun preisgünstig verkauft wurden".

Robert Neugebauer, unser "Heemtevoater" erinnert sich nicht nur an die Baracken auf dem Sportplatz, sondern auch an aufgestellte Maschinen bzw. Geräte im Augustabad. Vom Polizisten Loch hatte er erfahren, dass sie dem AA gehörten. Wahrscheinlich handelte es sich hier um Druckmaschinen und Vervielfältigungsgeräte, denn von Missie kommt der Hinweis, dass sie kein Bildmaterial und keine Druckerzeugnisse herstellen kann, weil zwar die Geräte in der Nähe vorhanden sind, jedoch es fehlen die Techniker, die sie bedienen können.

Hain:
Nicht nur in Krummhübel, auch in weiteren Orten des Riesengebirges gab es Dienststellen des AA. Insgesamt 132 Mitarbeiter, im damaligen Sprachgebrauch Gefolgsleute genannt, bezogen im April 1944 Büros und Quartiere in dem bekannten Luftkurort.

Die Mitarbeiter wohnen in folgenden Häusern: Rosenburg (20), Landesbank (16) Felseneck (15), Saftquetsche (14), Vergißmeinnicht (7), Lindenschänke (6), Marthashöhe (6), Schweizerhaus (6), Starnowski (5) und Altes Forsthaus (5).



Saftquetsche in Hain.
14 Mitarbeiter waren hier untergebracht.

Weniger als 5 Gefolgsleute wohnten in den Häusern St. Michael (1), Reifträgerblick (4), Silberblick (3), Exner (2), Friedenseiche (1), Hotel Fischer (2), Habmichlieb (4), Irmgard (1), Opitz (2), Freundschaft (2), Landhaus Adolf (4). Erlebach (1), Goldene Aussicht (2), Forsteck (1), und Bergheimat (1).



Goldene Aussicht in Hain.
Hier wohnten Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes.

Am 17. April 1944 konnte der Leiter, Gesandter von Pannwitz, Vollzug melden. Er selbst wohnte in der Marthashöhe.

Kurze Zeit später machte von Pannwitz bei seiner vorgesetzten Dienststelle auf die schlechtere Ernährungslage gegenüber Krummhübel aufmerksam und bat dringend um Zusatzverpflegung. "Im Haus Rosenburg gibt es im Erdgeschoß einen kühlen und sonnenlosen Raum, wo die Lebensmittel gelagert werden könnten", so sein Vorschlag zur Lagerung von Lebensmitteln. Ob er mit seiner Bitte Erfolg hatte, geht aus den Akten nicht hervor.

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