Deutsch-Polnische Zusammenarbeit und
Internet machen es möglich, der "Bote aus dem Riesengebirge", eine
Wochenzeitschrift für alle Stände, erstmalig im Jahr 1818 herausgegeben, ist
für interessierte Leser wieder zugänglich.
Die Bibliothek Uniwerskytecka-Wroclaw / Universität Breslau hat sämtliche Ausgaben,
mitfinanziert von der Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit aus Mitteln
der Bundesrepublik Deutschland, auf Mikrofilm herausgegeben.
Mehrere große deutsche Bibliotheken sind im Besitz dieser Mikrofilme. Als Leser
der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig beziehe ich die Filme über die Fernleihe
freundlicherweise von der Bayrischen Staatsbibliothek.
Der Bote beschäftigt sich zumindest in den Anfangsjahren mit viel Politik, vorrangig
europäischer Monarchien. Ansonsten dominieren Wirtschafts- und Familien-und
Kirchenanzeigen. Über das wirtschaftliche und soziale Geschehen im Riesengebirges
ist wenig zu lesen. Im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen Städte, wie
Hirschberg, Landeshut, Löwenberg und Schmiedeberg, aber auch Orte des Riesengebirgsvorland,
wie Arnsdorf, Erdmannsdorf, Buchwald, Quirl, Stonsdorf, Hermsdorf und Bad Warmbrunn.
Die Gebirgsorte, wie Schreiberhau, Hain, und Krummhübel werden in den Anfangsjahren
kaum erwähnt.
Umso erfreulicher das 1818, zu einer Zeit, als die Besteigung der Schneekoppe
noch ein sehr abenteuerliches Unternehmen war, über eine Wanderung ins Hochgebirge
berichtet wird. Der Beitrag ist stark gekürzt und bearbeitet. Rechtschreibung,
Satzbau und Ausdrucksweise sind aus heutiger Sicht doch sehr gewöhnungsbedürftigt.
Lassen wir daher den Wanderer zu Wort kommen.
Die Wanderung beginnt in Krummhübel. "Ein hinreichend bekanntes Dorf, aber
durch seine Laboranten auch sehr berüchtigt", so beginnt der Verfasser
eine Wanderbeschreibung, die im "Boten aus dem Riesengebirge", im
September 1818 veröffentlicht wurde. Das Dorf hat eine romantisch schöne Lage
und der Blick hinauf zu den hohen Bergen ist ebenso befriedigend, als der Rückblick
in das weite Schmiedeberger Tal. Die Dörfer Steinseiffen und Buschvorwerk, mit
ihren niedlichen Häusern, ziehen sich in der Talfläche hin, an deren Ende der
weiße Turm der Stadt Schmiedeberg leuchtet (gemeint ist wohl der Kirchturm).
So in etwa die weitere Beschreibung von Krummhübel und des Tales. Warum aber
ist Krummhübel durch seine Laboranten berüchtigt? In der damaligen Zeit wagte
man sich nur mit Führern ins Gebirge. Die Führer von Krummhübel werden in alten
Quellen als besonders skrupellos beschrieben, führten sie doch die Teilnehmer
vor Beginn der Wanderung oft zu einem (ihrem) Laboranten, um sich für die schwierige
Gebirgstour mit "Hochprozentigen" in Form von Kräuterlikör zur Stärkung
einzudecken. In manchen Wanderführern wurde vor solchen Machenschaften regelrecht
gewarnt. Vielleicht ist das eine Erklärung für diese Aussage.
Karl von Holtei erzählt 1818, also im gleichen Jahr, über Krummhübel: "Der
ganze Flecken ist von Koppenführern bewohnt, die wie Menschenfresser aus ihren
Kabanen den Reisenden anfallend hervorstürzen."
In unserem Fall führt der Weg jetzt nach dem Dorfe Querseiffen, dessen Wirtshaus
Gelegenheit zum Ausruhen und zur Erquickung anbietet. Hier bereitet man sich
ausgiebig auf das Aufsteigen in die höheren Regionen vor und versieht sich mit
einem Führer. Routinierte Wanderer haben sich bereits vorher einen solchen besorgt.
Im Bericht heißt es weiter: "Man verläßt den freundlichen Kretscham mit
einem Gefühle, als verließe man die kultivierte und bewohnte Welt, um in eine
wilde und düstere Wüstenei zu treten".
Der Weg führt nun unter einem Winkel von 20 30 Grad nach oben. Aber noch
nicht so schroff, um das Steigen beschwerlich zu machen. Dann kommt man ins
Schwärmen, "Das noch in freundlicher Mischung den Weg beschattende Laub-
und Nadelgehölz schützt noch gegen die Strahlen der Sonne. Die Luft wird immer
frischer und reiner, die Brust des Bewohners der Ebene hebt sich höher, er empfindet
den Einfluß der reinen Gebirgsluft, welche das Gemüth großer Empfindungen fähig
macht, die in der dicken Luft des Unterlandes, nicht sich zu entwickeln vermögen.
Der Geist wird aufgeheitert und giebt heiteren Hoffnungen und frohen Scherzen
Raum". Vielleicht hat auch die zweifache Einkehr ihren Teil dazu beigetragen.
Frische und reine Luft standen damals als Erholungsfaktor hoch im Kurs. Ca.
70 Jahre später sollte Theodor Fontane in Krummhübel feststellen, dass in einer
Höhe von wohl 700 m die Luft am wohltuendsten ist.
Auf dem weiteren Wegabschnitt lobt man die reizenden Ruhestellen, die sich dem
müden Wanderer anbieten. Nach dieser kurzen Wegstrecke dürfte von Müdigkeit
allerdings noch keine Rede sein. Nach einer Stunde erreicht man das Dorf Brückenberg.
Es liegt 2293 Fuß über der Meeresfläche und ist das höchstgelegene Dorf in Schlesien.
Auch hier eine kurze Beschreibung des Ortes: "Aber wie verschieden ist
hier die Natur gegen den Wucher und die Fruchtbarkeit des Thales. In dieser
erhabenden Gegend, wo der Winter seine Herrschaft wie in Schweden und Norwegen
behauptet, kommen Blumen und Obstbäume nicht mehr fort; man bemerkt nicht mehr
die angenehmen Gärten, welche das Auge in Steinseiffen, Krummhübel ergötzten.
Keine schwellenden Getreidefelder wie in den unteren Gefilden, nur dürftig geräth
noch die Gerste und etwas Roggen. An den Wohngebäuden erkennt man die eiserne
Hand des Winters; sie bestehen nehmlich aus sogenannten Bauden oder Bauten,
welche Stube, Stall, Vorraths- Kammer unter einem Dach enthalten, damit die
Bewohner bei dem öftern stürmischen Wetter und dem hohen Winterschnee ihre Wohnungen
häuslicher Bedürfnisse wegen nicht verlassen dürfen. Der Hauptnahrungszweig
des Ortes ist die Viehzucht und ein ärmlicher Ackerbau; der Gewinn ist nicht
reichlich, weshalb die Einwohner zu einem dürftigen Leben gezwungen sind".
Danach wird eine Art von Gasthaus beschrieben, in dem ein teurer elender Wein
ausgeschenkt wurde. Das Gasthaus liegt am Schnittpunkt der Straße, welche von
Warmbrunn heraufführte und dem bisherigen Weg. Von einer Einkehr ist nicht die
Rede. Ansonsten wäre das Ziel, Schneekoppe, in weite Ferne gerückt. An Hand
der Beschreibung kann es sich nur um die Brodtbaude gehandelt haben. Der Wirt
Brodte war zu dieser Zeit noch Förster beim Graf Schaffgotsch. Der Reisende
wirft noch einen Blick in den Talgrund, der bald in "grenzenloser Tiefe"
versinken sollte. Nun geht es zügig in Richtung Dreisteine weiter.
Im Bericht hört es sich so an: "Die Gegend wird wilder und trauriger Die
sich hoch aufthürmenden Felsenwände, die Abgründe, die scheinbar am Himmel schwebende
Koppe und Kapelle; das alles vereinigt sich zu einem romantischen Bilde, zu
einem Ganzen, von dem sich die betrachtende Seele nicht los zureissen vermag".
Nach weiteren mühevollen Steigen über Steine und Wurzeln wird die Schlingel- und Hasenbaude erreicht. Die freie Fläche an den Bauden, die der Wanderer vom Wald kommend nun betritt wird mit einer Schweizer Landschaft verglichen.