Veröffentlicht in der "Schlesischen
Bergwacht", November 2004.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher
von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Fortsetzung
Nach dem I. Weltkrieg gab es gravierende Veränderungen im Fremdenverkehr,
denen sich auch das Hotel "Schneekoppe" stellen musste. Der billige
Massentourismus hatte Einzug gehalten. Hans Reitzig spricht vom Zeitalter der
Heime. Als genauen Zeitpunkt kann man in etwa das Jahr 1925 annehmen. Das Hotel
wurde durch die "Gesellschaft für Ferienheime für Handel und
Industrie e.V.", mit Sitz in Wiesbaden übernommen. Versuche, das Hotel
als Kurhotel im Eigentum der Gemeinde Krummhübel ab 1920 weiterzuführen,
waren gescheitert, ebenso die Versuche einer Berliner "Bäder-Hotel-AG",
ab dem Jahre 1922. Was mit der Übernahme von Hotels, Sanatorien und Pensionen
durch berufliche Vereinigungen, Krankenkassen und Versicherungsgesellschaften
begann, mündete letztendlich im "KDF".
In den letzten Kriegsjahren diente das Haus als Lazarett.
Nach dem verlorenen Krieg 1945 und den Einzug der Polen wurde es von der polnischen
Armee übernommen und diente ab sofort als Erholungs- und Genesungsheim
für polnische Offiziere. Meine Mutter musste bis zu unserer Vertreibung
im Dezember 1946 für die Offiziere kochen. Die Verpflegung kam zum größten
Teil aus den USA. Gut erinnere ich mich noch an die großen goldenen Büchsen
mit "Corned beef". Auch Butter und andere Lebensmittel gab es vielfach
aus Büchsen. Hunger haben wir damals nicht gelitten, den lernten wir erst
nach unserer Vertreibung in der damaligen Ostzone kennen.
Meine Mutter und ich wohnten auch in dem Heim. Aus Angst vor Repressalien durch
die Polen durfte ich das Heim und den angrenzenden Park nicht verlassen. Als
Bedienungspersonal waren junge Mädchen und Frauen aus Oberschlesien eingesetzt.
Sie sprachen deutsch und polnisch und gehörten wohl zu der deutschen Minderheit
aus dem Teil Oberschlesiens, der den Polen nach dem I. Weltkrieg zugesprochen
wurde. Durch sie wurde ich tagsüber auch betreut und habe mich in ihrer
Mitte immer recht wohl gefühlt.
Gut erinnern kann ich mich noch an den Kommandeur des Heimes. Stets trug er
die Offiziersuniform, war sehr wortkarg, aber immer allgegenwärtig. Mich
hat er kaum beachtet. Nur einige Male durfte ich tote Amseln, die er im Park
schoss, zu meiner Mutter in die Küche bringen. Dort wurden sie gerupft,
gebraten und ihm dann serviert. Während dieser Zeit wurde im großen
Saal das Kino eröffnet. Es war zwar noch vor Kriegsende fertig gestellt
worden, aber zur Premiere war es nicht mehr gekommen.
Zur feierlichen Eröffnung wurde, wahrscheinlich aus Ermanglung polnischer
Filme, der Streifen "Die Frau meiner Träume" in deutscher Fassung
aufgeführt. Der Film wurde nun einige Zeit lang aufgeführt. Da ich
wenig Abwechslung hatte, saß ich nun Abend für Abend in der Loge
und lauschte der Rökk. Text und Melodie von "In der Nacht ist der
Mensch nicht gern alleine ..." hat sich so frühzeitig bei mir eingeprägt
und mich nie so richtig losgelassen hat.
Heute ist das Haus unter dem Namen
"Piast", Ferienheim der polnischen Gewerkschaft (FWP). Im Sommer dient
es vorrangig als Kinderheim. Nach 1945 hat sich außer der Erneuerung des
Daches baulich an dem Haus kaum etwas verändert. Der Zahn der Zeit hat
dementsprechend am Haus genagt. Die Einrichtung ist sehr spartanisch geworden.
Aus dem einst wunderschönen Speisesaal ist ein tristes Foyer des Kinos
geworden. Verschwunden auch die einstige Pracht der Parkanlage mit Springbrunnen
und gewaltiger Fontäne. Die Fassade, besonders aber das Fachwerk und die
Holzverkleidung schreit förmlich nach Farbe. Wohl kein renommiertes Hotel
aus Krummhübel hat unter polnischer Verwaltung eine solchen Niedergang
erfahren.
Vielleicht bringen demnächst EU-Mittel spürbare Veränderungen,
von denen Haus und Ort profitieren und Krummhübel wieder zu dem attraktiven
Kurort werden lässt, der es einmal, nicht zuletzt durch die Mitwirkung
der Familie Exner, in deutscher Zeit gewesen ist.