Veröffentlicht in der "Schlesischen
Bergwacht", Juni 2007.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher
von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Vor ca. zwei oder drei Jahren wurde in Karpacz / Krummhübel ein Gebäude restauriert, welches nach 1945 als Ferienheim der polnischen Gewerkschaft ein mehr als kümmerliches Dasein gefristet hatte. Polnische Investoren hatten das Haus gekauft und als Hotel neu erstehen lassen. Das Hotel erhielt den vielsagenden Namen "Mieszko". Man kann mit Sicherheit annehmen, das es sich bei dem Namensgeber um Mieszko I. (960 992) handelt. Er war der erste nachweisbare Fürst der Polanen und wird für den Gründer des Staates gehalten. Am Ende seines Lebens schenkte Mieszko sein Land dem Papsttum. Dank der Annahme der christlichen Religion gewann Polen einen festen Platz in dem damaligen Europa.
Mieszko II., von Historikern auch
der "Faule" genannt, wird nicht gemeint sein, denn unter seiner Herrschaft
trat ein rapider Zerfallsprozess des polnischen Großreiches ein, welches
seine Vorgänger aufgebaut hatten.
Es ist kein Spitzenhaus der Hotellerie geworden, der Komfort ist relativ bescheiden,
aber ein Farbtupfer mehr in der teilweise noch etwas grauen Umgebung.
Vor 1945, der Ort hieß noch Krummhübel und Mieszko war, zumindest
im Riesengebirge, ein völlig Unbekannter, hieß das Hotel "Goldener
Frieden" und war laut Werbeheft von 1909, herausgegeben vom Gemeindevorstand
Krummhübel, mit Dependence "Logierhaus Emilie" ein anerkanntes
solides Haus I. Ranges. 60 behaglich eingerichtete Fremdenzimmer mit Zentralheizung,
elektrischem Licht, fließenden Wasser mit Bädern und natürlich
der damaligen Zeit entsprechend, Equipagen, standen dem Gast zur Verfügung.
In Meyers Reiseführer von 1911 ist zu lesen "erstes Haus am Platze,
in der Ortsmitte mit Dependenz "Hotel und Cafe Reichshof". Bäckermeister
Albert Reich hätte es sich nicht träumen lassen, das sein Hotel, welches
auch als "Spindler´s Conditorei Cafe & Restaurant" sehr
bekannt war, so schnell einmal Dependance, also Nebenhaus, des größeren
Nachbarn werden sollte.
Krummhübel verdankte seine Beliebtheit nicht nur seiner herrlichen Lage
und der Nähe zur Schneekoppe, sondern auch seinen "allen Komfort bietenden"
Hotels und Logierhäusern. Das Hotel "Goldener Frieden" trug besonders
unter seinen Besitzern H. Rummler und später Wilhelm Schier wesentlich
dazu bei, das Krummhübel sich von der tristen Köhlerersiedlung, über
das Laborantendorf zur bedeutendsten Sommerfrische im Osten des Riesengebirges
entwickeln sollte.
Dabei hat alles unter sehr bescheidenen Verhältnissen angefangen. 1723
gibt es die erste Erwähnung für das Haus Nr.74 in Krummhübel.
Ein Klennert hat das Haus an Siegemund Großmann verkauft. 1765 wird ein
Gottwald Exner und ab 1811 sein Sohn Benjamin Exner als Besitzer genannt. Die
Jahre zwischen 1730 bis 1780 werden als die Blütezeit des Laborantentums
in Krummhübel bezeichnet. Viele der Einwohner verdienten als Laboranten
oder Gärtner ihren Lebensunterhalt. Für das Haus Nr. 74 gibt es dafür
keine Anzeichen. Die Bewohner gingen anderen Gewerken nach. Der nächste
Besitzer ab 1837 ist der Zimmermann Leonard Franzky. Bereits 20 Jahre später
übernimmt Wenzel Pradler das Haus und nutzt es schon gastronomisch. Seit
1832 ist er, der aus Krausebauden im "Böhmischen" stammt, Besitzer
der Schnurrbartbaude. Die Schnurrbartbaude galt durch ihren beträchtlichen
Viehbestand, deren Erzeugnisse sich im Tal und der Stadt Hirschberg gut vermarkten
ließen, als "reiche Baude".
Als 1862 sein Sohn Karl die Baude
übernimmt, kauft Wenzel im Tannigt das Haus Nr. 49, später wohnt dort
Hermann Hübner, unser letzter Bürgermeister. Karl verkauft das Grundstück
Nr. 74 1862 an Anton Erlebach und nur ein Jahr später wird Anton Berauer
als Besitzer genannt.
Pradler, Erlebach und Berauer, alles Namen die wir aus den Anfängen der
Besiedlung des Riesengebirges, die vorwiegend aus dem Süden her erfolgte,
kennen und sehr eindeutig zeigen, dass die Grenze zur damaligen Zeit zwischen
Österreich und Preußen und auch danach, zumindest bis zum Jahr 1918,
mehr symbolischen Charakter trug.
1872 ging der Besitz an den Restaurateur, heute würden wir Gastwirt sagen,
Michalik aus Bad Warmbrunn und drei Jahre später an den Haushälter,
was immer das bedeuten soll, Helbig über. Zu dieser Zeit, spätestens
aber 1883, als H. Rummler das Haus übernahm, wurde um- und ausgebaut. Die
Mehrzahl der Häuser in damaliger Zeit bestanden aus Erd- und Dachgeschoss.
Eine ständig zunehmende Besucherzahl erforderte mehr Gästezimmer.
So entstand eine vielleicht zweckmäßige, aber unansehnliche kastenförmige
Architektur, wie man sie noch heute in vielen Orten des Riesengebirge antrifft.
Reitzig schreibt von einem "landschaftsfremden Kastenbau". Der gleiche
Bautyp begegnet uns in den Häusern "Talfrieden" in Birkigt, "Enzian"
im Tannigt und "Deutsches Haus", damals noch "Deutscher Kaiser",
im Neuhäuser, um nur einige zu nennen. Später, mit dem Anwachsen des
Fremdenverkehrs und dem zunehmenden Konkurrenzkampf, wurden viele dieser Gebäude
mit Balkonen und Veranden "verschönert".
Rummler war in damaliger Zeit ein Segen für den Ort. Geschäftssinn
und Weitsicht haben ihn ausgezeichnet. Nicht nur als Hotelier, auch ab 1905
als Gemeindevorsteher. Seine Herkunft ist ungewiss. Bei Reitzig lesen wir kurz
und knapp: "Oberkellner, Hirschberg". Also ein "Zugereister".