Es ist Herbstzeit und wie in jedem
Jahr stand wieder die traditionelle Reise in die Heimat an. Der um diese Zeit
abgehaltene Antik- und Trödelmarkt in Hirschberg / Jelenia Gora spielte dabei
eine nicht unwesentliche Rolle. In erster Linie galt jedoch der Besuch meinem
Geburtsort Krummhübel.
Getreu dem Sprichwort "Wer viel reist, erfährt viel", möchte ich schon
über die Entwicklung des Ortes informiert sein und mich mit eigenen Augen von
Veränderungen überzeugen.
Gewohnt haben wir im früheren Hotel "Goldener Frieden", dem heutigen
Hotel "Mieszko", ein Hotel, das wir bisher wegen seines etwas schmuddeligen
Äußeren immer gemieden hatten. Ein preislich sehr günstiges Angebot hatte uns
aber überzeugt und wie wir im Nachhinein erfahren sollten nicht enttäuscht.
Ein großes Zimmer mit viel Ablage, Flachbildfernseher, ausreichender Sanitärzelle,
kostenloser Parkplatz und auch überraschend, ein sehr reichliches und gutes
Frühstückbüffet.
Die Anreise erfolgte zum ersten Mal auf der neuen Umgehungsstraße, dem
früheren Gehängeweg, durch den hundert Meter langen Tunnel. Bereits
der erste Bummel durch die nun zur Fußgängerzone umfunktionierte
frühere Hauptstraße, der heutigen ul.Konstytucji 3 Maja, überzeugte
uns von dem Tunnelprojekt. War es früher oft gesundheitsgefährdend
die Straße zu überqueren, so kann man heute seelenruhig auf der Straße
flanieren. Zahlreiche Bänke am Straßenrand, aber auch auf der früheren
Fahrbahn laden zum Ausruhen ein. Die Fußgängerzone beginnt am Kretscham
/ Bacchus und endet am Bergstübel / Kolorowa.
Autofahrer können, von Hirschberg kommend, am Kretscham noch zum Neuhäuser
fahren und dann weiter hinter dem Bergstübel, kurz vor dem "Goldenen
Frieden", wieder auf die Hauptstraße einbiegen.
In einem Interview, veröffentlich in der "Sächsischen Zeitung",
sprach Bürgermeister Bogdan Malinowski über das Tunnelprojekt, aber
auch über zukünftige Pläne der Stadt Karpacz.
Das Tunnelprojekt soll auch dazu dienen den Ort für den Tourismus attraktiverer
zu machen. Das Vorhaben kostete 18 Millionen Zloty (4,3 Millionen Euro), davon
flossen 14 Millionen Zloty (rund 3,3 Millionen Euro) aus Mitteln der Europäischen
Union.
Das Projekt Fußgängerzone ist auch noch nicht abgeschlossen. Bereits
Ende 2012 begannen Planungen dafür. Ein Bewirtschaftungskonzept für
das Stadtzentrum mit der neuen Flaniermeile soll mit Hilfe von Architekturstudenten
der Universität Wroclaw / Breslau entstehen. Ende 2013 sollen die Planungen
hierfür abgeschlossen sein, 2014 will sich die Kommune um EU-Förderung
bemühen.
Auf großen verglasten Tafeln werden bereits Entwürfe der Architekturstudenten
in der Fußgängerzone vorgestellt.
Jetzt geht es aber sicher auch darum, angefangene Baumaßnahmen zu beenden,
wie die so hoffnungsvoll begonnene Baumaßnahme der Villa Reinhardt, dem
letzen Besitz der Familie Bittkau.
Während unseres Aufenthaltes
in Krummhübel konnte ich gerademal zwei Arbeiter werkeln sehen.
Ansonsten hat sich die Bautätigkeit vom Vorjahr fortgesetzt. Ich hatte
im vergangenen Jahr über sozialen Wohnungsbau im Ort berichtet. Objekte
die damals noch eingerüstet und durch Planen verdeckt waren, wie das ehemalige
Haus "Am Bach" in Birkigt oder das "Augustabad" sind fertiggestellt
und präsentieren sich im neuen Gewand. Beeindruckt hat mich die neue Fassade
vom "Haus am Bach", war es doch das Nachbarhaus in meiner Kindheit,
die fast originalgetreu wieder hergestellt wurde.
Das Riesengebirgsheim, alias Kurhotel, alias Hotel "Zur Schneekoppe" ist ebenfalls fertiggestellt. Es war keine Luxussanierung, aber ein neuer Putz und Anstrich zeugen davon, dass die ehemalige Nr. 1 unter den Hotels von Krummhübel der Nachwelt erhalten bleibt. Zum Teil noch eingerüstet ist das ehemalige "Cafe Reitzig", der fertiggestellte Teil lässt kommenden Glanz des Hauses erahnen.
Verschwunden dagegen ist das frühere
Haus Hentschel, neben dem "Preußischen Hof". Nur eine Baugrube zeugt
noch vom Haus, wo bis 1945 Dr. Köhler praktizierte und danach eine Art Ärztehaus
von Karpacz untergebracht war. Patienten müssen nun den weiten Weg ins ehemalige
Haus Brandenburg antreten, welches an der Grenze zwischen Querseiffen und Brückenberg
gelegen ist, so zumindest steht es am Bauzaun.
Eine neue Anschauungstafel ist am Hotel "Preußischer Hof" angebracht.
Sie gibt Auskunft darüber, dass sich hier einst eine Station der Sänftenträger
befand, die für entsprechendes Entgelt betuchte Touristen zur Schneekoppe trugen.
Der letzte Tragestuhl, wie man auch sagen konnte wurde in den 80er Jahren in
Karpacz gefunden und befindet sich jetzt im Sportmuseum, dem früheren "Heemtehäusel".
Neu ist auch ein reich geschnitzter Aufsteller am Hentschelberg, wo die Kirchen
von Karpacz vorgestellt werden.
In den Erläuterungen zur ehemaligen
evangelischen Kirche kann man unter der Überschrift: "Die Kirche zum
Allerheiligsten Herzen Jesus Christi in Karpacz (Krummhübel)" u.a.
lesen: "Am 13.09.2008 feierte die Kirchgemeinde den 100. Jahrestag der
Konsekration des Gotteshauses. Die Jubiläumsfeierlichkeiten wurden von
der römisch-katholischen Pfarrei zur Heimsuchung Mariä und der evangelischen
Pfarrei der Kirche Wang unter Mitwirkung des Museums für Sport und Touristik
in Karpacz sowie des Bürgermeisters von Karpacz organisiert".
Das auch etwa 35 Mitglieder der ehemaligen evangelischen-lutherischen Kirchgemeinde
von Krummhübel teilnahmen, wurde leider nicht erwähnt, ein Schelm,
wer Böses dabei denkt. Eines ist in den Texten auf den erwähnten Tafeln
neu, es wird von Krummhübel gesprochen.
Bei einer ersten Rundfahrt durch den Ort konnte man an Hand der abgestellten
Fahrzeuge auf den Hotel-Parkplätzen erkennen, Karpacz hat ein Problem mit
der Anzahl der Touristen. Zwar gab es am Samstag und Sonntag in unserem Speiselokal
"Kolorowa", dem früheren "Bergstübel", zwischen
17.00 und 20.00 Uhr kaum freie Plätze, das änderte sich aber schlagartig
ab Montag. Im Lokal herrschte gähnende Leere, sicher auch auf den Straßen,
wären da nicht die Einheimischen gewesen und das alles bei Bilderbuchwetter.