Veröffentlicht in der "Schlesischen
Bergwacht", November / Dezember 2011
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher
von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Es sind fast immer die gleichen Gründe,
welche mich veranlassen das Riesengebirge Ende September zu besuchen. Da ist
die Neugier über Veränderungen in meinem Geburtsort Krummhübel, da ist der Anreiz
die Schneekoppe, sozusagen meinen Hausberg, zu besteigen und da ist auch Polens
größter Antikmarkt in Hirschberg, unserer ehemaligen Kreisstadt, wo man als
Postkartensammler immer auf einige Raritäten hofft.
Das Quartier in Krummhübel, Hotel "Rezydencja", früher Rentnererholungsheim,
alias Haus Edelweiß, war das gleiche wie im Vorjahr, aber im Gegensatz zum Vorjahr
gab es Bilderbuchwetter und das eine ganze Woche lang.
Würde ich nur über Krummhübel schreiben, könnte die Überschrift "Krummhübel
wie hast du dich verändert" lauten. Damit ist natürlich in erster Linie
die rasante Bautätigkeit im Ort gemeint. Kein anderer Ort im Riesengebirge hat
in den letzten Jahren solche Veränderungen erfahren, wie unser ehemaliger Heimatort.
Damit meine ich nicht nur die zahlreichen modernen Hotels, allen voran das Mega-Hotel
"Golebiewski" in Brückenberg, die besonders ins Auge fallen, sondern
auch Veränderung der Infrastruktur des Ortes. In wenigen Jahren werden wir den
Ort nicht wieder erkennen. Von dem einst so beschaulichen Kurort ist nichts
übrig geblieben. Fairerweise muss man aber zugeben, auch in deutscher Zeit hätte
es gewaltige Veränderungen gegeben. Vor einiger Zeit kursierten Pläne eines
Tunnelbaus nach Petzer bzw. Spindelmühle in der polnischen Presse, diese Vorhaben
ist nicht neu.
Bereits 1906 plante man eine horizontale Durchtunnelung des Gebirgsrückens vom
Melzergrund zum Riesengrund erfolgen. Etwa in der Mitte des Tunnels sollte vom
Niveau der Schneekoppe zum Niveau des Tunnels ein Schacht entstehen. In der
Nähe der Riesenbaude wäre dann durch einen kurzen Tunnel zum Schacht ein Aus-
und Eingang entstanden. Das Projekt beruhte auf erfahrenen bergmännischen Sachverständigen.
1908 war der Bau einer elektrischen Straßenbahn vom Bahnhof Krummhübel bis zur
Kirche Wang eine fast beschlossene Sache. 1913 gab es als letztes Projekt den
Bau einer sogenannten Randbahn von Schreiberhau nach Schmiedeberg, mit einem
Abzweig nach Brückenberg. Die beiden letzten Projekte wurden in weiser Voraussicht
von der Gemeindevertretung von Krummhübel verhindert. Man hatte aus den Fehlern
von Schreiberhau gelernt, wo durch den Bau der Zackentalbahn bis nach Oberschreiberhau,
Unterschreiberhau als Sommerfrische fast bedeutungslos wurde.
Die ersten Veränderungen werden bereits im früheren Ortsteil Birkigt sichtbar.
Dort wo die Hauptstraße, früher sagte man Chaussee, eine Linkskurve macht, gegenüber
vom Haus Luisenhof entsteht ein polnischer Supermarkt. Bereits vor ca. 10 Jahren
sollte hier nach Vorstellungen der Stadt Karpacz ein Parkplatz mit Kontrollpunkt
entstehen. Tagestouristen sollten dann zwecks Verkehrsberuhigung im Ort ihre
Fahrzeuge hier abstellen und die Weiterfahrt im Shuttle-Bus antreten.
Der Umbau des Bahnhofes zum "Zentrum für Kultur und Tourismus" von
Karpacz steht kurz vor der Vollendung. Es ist hier gelungen unter weitgehender
Erhaltung des aus der Historie gewachsenen Charakters des Bahnhofes und der
prägnanten Baustruktur neue Anbauten harmonisch in das alte Bauensemble einzufügen.
Die Straße vom Bahnhof zum Neuhäuserweg und von dort die Straßen nach Querseiffen
sind, wie 2010 bereits angekündigt, frisch asphaltiert worden. Das gleiche trifft
auch, ausgehend von der Buschmühle, auf die Straßen im Tannigt zu. Auch die
Straße von Dreyhaupts-Hotel in Richtung Teichmannbaude und Lift wird aufwendig
saniert. An den Baustellen findet man überall Tafeln mit dem Text: "Verbesserung
der Straßeninfrastruktur auf dem Gebiet der Stadt Krummhübel. Nutznießer: die
Gemeinde Krummhübel". 5.839.293,03 zl. betragen die Kosten für den Straßenbau,
von der EU gibt es einen Zuschuss von 3.040.782,42 zl.
Wenn man noch dazu rechnet, dass auch mit den ähnlichen Zuschüssen die Ufer
der Großen- und Kleinen Lomnitz befestigt werden, kann man konstatieren, zumindest
für Karpacz hat sich der Beitritt zur EU gelohnt.
Begibt man sich wieder auf die Hauptstraße, kommt man zu "Zölfels letzten
Laborantenhaus". Dort ist ein wuchtiger Granitstein mit der Inschrift "Laborant"
aufgestellt. Eine Tafel am Haus schildert viersprachig die altbekannte Geschichte
von den zwei Prager Medizinstudenten welche wegen Verfolgung in den Ort kamen,
bei Melchior Grossmann Unterschlupf fanden und aus Dankbarkeit ihm die Heilkräuterzubereitung
beibrachten. Seit Hans Reitzig und seiner Dissertation "Die Krummhübler
Laboranten" kann man davon ausgehen, dass diese Geschichte wohl ins Reich
der Fabel gehört. Die wahre Herkunft der Laborantentätigkeit geht wohl auf das
Jahr 1564 zurück, wo die ersten Tiroler dem Ruf des Erzes folgend ins Gebirge
kamen und Kenntnisse der Kräutermedizin mitbrachten.
Wenige Meter zuvor hat es einen Grundstückswechsel gegeben. Das frühere "erste
Haus am Platz", das Hotel "Zur Schneekoppe", später Riesengebirgsheim
und im Besitz des polnischen Tourismusverbandes unter dem Namen "Piast"
zum Schandfleck im Ort geworden, ist verkauft worden. Man kann nur hoffen, dass
eine solide Sanierung erfolgt. Das Haus liegt mir sehr am Herzen, habe ich doch
viele Kindheitserinnerungen daran.
Meine Mutter hat nach Übernahme durch die polnischen Behörden dort gearbeitet
und mit mir bis 1947 auch gewohnt.
Die größten Baustellen befinden sich im früheren Mitteldorf: Tiefgarage oder
Parkplatz, Umgehungsstraße oder Tunnel, das ist hier die Frage. Viel ist im
letzten Jahr darüber in der Heimatgemeinschaft gesprochen und geschrieben worden.
Also musste Klarheit und professionelle Hilfe her. Im Rathaus der Stadt Karpacz,
der ehemaligen Kurverwaltung von Krummhübel, habe ich nachgefragt. Ein freundlicher
Mitarbeiter klärte mich auf. Der Parkplatz unterhalb der Villa "Reinhardt",
dem Vaterhaus unseres ehemaligen Bergwächters, sollte wohl ursprünglich eine
Tiefgarage entstehen. Jetzt wurde die überdimensionale Baugrube wieder verschüttet
und planiert. Es wird ein Parkplatz für Reisebusse mit Tagestouristen. Es war
wohl eine Fehlinvestition, so habe ich es verstanden, obwohl es so nicht gesagt
wurde. Am Gehängeweg entsteht keine Umgehungsstraße, wie vielfach angenommen,
sondern eine Einbahnstraße für den rückwärtigen Verkehr von Oberkrummhübel oder
Brückenberg aus. Auf der bisherigen Hauptstraße rollt der Verkehr wie bisher,
aber nur einspurig, nach den oberen Ortsteilen. Rückwärtig wird sie ab Höhe
Sanatorium Ziegelroth zur Einbahnstraße und der Verkehr wird ab da durch einen
Tunnel bis zum Landhaus Völkel geführt. Die ehemalige Ski-Wiese wird also untertunnelt
und die neue Straße entlang des früheren Gehängeweges mündet zwischen dem Gerichtskretscham
und der ehemaligen evangelischen Kirche in die Hauptstraße. Diese Bauweise wurde
notwendig, da der deutsche Besitzer der Sommer-Rodelbahn keine Genehmigung für
eine Überführung seiner Bahn erteilt hat.
Neben dem eben erwähnten Bus-Parkplatz ist ein neues Wohn-und Geschäftshaus entstanden, das sich harmonisch in die bestehende Altbausubstanz einfügt. Der Charakter der Hauptstraße zwischen den Kirchen und dem Hotel "Goldenen Frieden" als Hauptgeschäftsstraße soll wohl erhalten werden. An der Villa Reinhardt ist übrigens nur die Fassade neugestaltet worden, am rückwärtigen Teil konnte ich seit dem Vorjahr keinen Baufortschritt feststellen.
Eine Neuerung ist der Zubringerlift ab Raschke, später Gajewski, und Dreyhaupts-Hotel bis zur Straße unterhalb des Schneekoppen-Liftes. Für 11,00 zl. Hin- und Rückfahrt kann man sich den Fußmarsch von der Bushaltestelle bis zum Lift sparen und schwebt nun bequem nach oben und wieder zurück. Warum man aus Kostengründen nicht eine weitere Bushaltestelle am Lift eingerichtet hat, wird wohl ein Geheimnis der Stadtverwaltung bleiben. Am Hotel "Waidmannsheil", dem jetzigen Gymnasium von Karpacz ist eine sehr moderne Sporthalle und davor eine Trainingsbahn für Rodler entstanden. Man will wohl, einer alten Krummhübler / Brückenberger Tradition folgend, verstärkt auf den Rodelsport setzen. Es gibt auch Pläne für den Bau einer modernen Bob- und Rodelbahn auf dem Terrain der alten Bahn von Brückenberg zur Talsperre. Man scheut sich jedoch im Moment vor den hohen Kosten, die ungefähr 200 Millionen zl. betragen würden. Meiner Meinung nach wäre das eine Investition für die Zukunft, denn Skisport alpin hätte wohl, außer Skispringen, in Krummhübel / Karpacz keine Chance.