von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Zurück auf der Chaussee erreicht man
nun das "Waldhaus" damals noch zu Brückenberg gehörig. Es trägt die
Nr. 66 von Brückenberg.
Bei günstigem Wetter unternahm Theodor Fontane von seinem Quartier bei Julius
Schreiber oft am frühen Morgen eine Wanderung bis zum Waldhaus. Im ersten Brief
nach seiner Abreise1887 lobt er "die schönen auf Waldhaus- und Leisergängen
(am Gehänge in Krummhübel) verbrachten Stunden".
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Wir befinden uns jetzt in Brückenberg.
Es gehörte bis 1943 als größter Ortsteil zur Gemeinde Gebirgsbauden und die
wiederum zum Amtsbezirk Seidorf. Fontane hat das nicht weiter interessiert,
vielleicht wusste er es auch nicht besser, seine Briefe aus Brückenberg waren
weiter mit Krummhübel datiert.
Das größte Hotel damals war das "Schweizerhaus", die Nr. 87, im Besitz
von Leiser. Wir kennen das Haus schon von 1887 her, als er Friedlaender zum
Abschiedsschmaus ins "Schweizerhaus" einlädt.
1890 bei seinem Aufenthalt in der "Brodtbaude" ist Fontane erkältet,
aber auch da werden die Waldspaziergänge und bis zu "Leisers Bank"
hin fortgesetzt.
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Den nächsten Urlaub 1888 verbringt
Fontane in der Brodtbaude zu Brückenberg.
Im Brief an Friedlaender am 15. Juli 1888 entschuldigt er sich, dass er kurz
nach der Ankunft keinen Antrittsbesuch beim Briefpartner machen möchte: "Ich
möchte auch nicht gern zu spät an der Welt Ende (Brotbaude), wo meine Tochter
gemiethet hat, ankommen. In einem Brief vom 07. Juli an seine Frau vermerkt
er u.a.: "wenn Dich diese Zeilen erreichen, steht dahin, denn die Brotbaude
gehört vielleicht gar nicht zu Krummhübel und wird möglicherweise von Arnsdorf
aus belaufen".
Die Briefstelle zeigt, dass der Dichter zwischen Krummhübel und Brückenberg
keinen Unterschied macht. Im Briefkopf steht immer "Krummhübel, Brotbaude".
Dass der Name eigentlich richtig mit "dt" geschrieben wird, nach dem
ehemaligen Besitzer Brodte, mag Fontane nicht gewusst haben. (Das haben aber
die wenigsten, welche über die Brodtbaude geschrieben haben, auch nicht gewusst.
Merkwürdigerweise steht auch auf den alten Postkarten meistens Brotbaude).
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Am 19.07. schreibt Fontane an Friedlaender
und kündigt seinen Besuch an. "Wir brechen zu Fuß hier auf und sind in
dritthalb Stunden, mit kleinen Ingwer-Stationen bei Leiser, Rummler und Exner
in Schmiedeberg, wo wir bald nach 12 Uhr eintreffen. Zurück nehmen wir dann
einen Wagen bis zu Rummler und machen den Rest zu Fuß".
In der Brodtbaude bewohnt er zwei Dachstübchen. Die Post bringt Adolf Meergans,
nachdem er sie vom Postagent Lösche abgeholt hat. Die Post brachte er "boarrbsbeenig" [1]
zum Meister. Der Briefträger aus Krummhübel kam erst nach 5 Uhr nachmittags
an. Es war seine letzte Station.
Sehr schöpferisch war der Aufenthalt nicht. Fontane sagt aus: "Ich habe
hier arbeiten wollen, bin aber über ein bisschen Korrekturlesen noch nicht recht
hinausgekommen. Zum Teil ist das Wetter schuld, zum Teil die Tageseinteilung.
Wenn man bis 10½ Kaffee trinkt und nach einem Schinkenfrühstück um 12
sich um 1 zu Tisch setzt, so hat man nicht viel Arbeitszeit."
Das die Post so spät kam nahm er mit Gelassenheit hin und schreibt: "So
wird das Pech zu einer Art Segen für mich". Denn: "Kämen die Zeitungen
[2] noch früher,
so hätte man gar keine Arbeitszeit".
Auch am Ende des Aufenthaltes eine Klage, dass er so wenig zum Arbeiten käme.
"Der Nebel der zieht, legt sich mir wie eine bleierne Binde um den Kopf,
aber gelesen wird ein gut Teil."
Nach vier Wochen neigt sich der Urlaub seinen Ende zu. Fontane schreibt an Karl
Zöllner, dem 1. Sekretär der Berliner Akademie der Künste: "Bis zum 10.
August sind wir hier noch zusammen, dann treten wir einen geordneten Rückzug
an. Mete und ich werden wohl am längsten aushalten, weil wir am wenigsten uns
einbilden, ohne Komfort (der meist keiner ist) nicht leben zu können."
Wann der Urlaub beendet wurde geht aus den Briefen nicht genau hervor. Am 20.
August schreibt er an Frau Friedlaender u. a: "Wie lange mein Bleiben hier
noch ist, weiß ich nicht, aber länger oder kürzer, ich nehme schon heute Veranlassung,
mich Ihnen, gnädige Frau, angelegentlichst zu empfehlen .….".
Nachdem Fontane lange überlegt hat, wo er seinen nächsten Aufenthalt im Riesengebirge
verbringen soll, ist es dann doch wieder die Brodtbaude geworden.
Am 23. Juli 1890 schreibt er an Friedlaender: "Ich reise wahrscheinlich
am 4., meine Tochter ist seit vorgestern schon da und vorläufig in Nähe der
Brotbaude, auf derselben "Alm" einquartiert, meine Frau will in etwa
drei Tagen folgen. Erst am 4. wird die Wohnung in der Brotbaude selbst frei".
Am 12. August 90 erfolgt die Einladung an Friedlaenders: "Theodor Fontane
und Frau geben sich die Ehre Herrn Amtsgerichtsrat Dr. Friedlaender nebst Gemahlin
zu Mittwoch den 13. d. 3 Uhr ergebenst einzuladen".
Über sein Quartier schreibt er folgendes: "Aber quartiert man sich auf
der Brotbaude ein, so ist man eigentlich wie in Tabora oder Kavirondo".
[3]
Er macht Besuche in Schmiedeberg und im Nachbardorf: "Heute sind wir nach
Krummhübel zu Tisch geladen, ganz dicht bei Villa "Ursula", wo eine
Abzweigung der Treutler-Familie wohnt".
Am 09. September wird sogar noch eine Kammpartie gewagt, wozu milde Herbstsonne
und klare Luft herausforderten. An Friedlaender schreibt er: "Mit 70 wird
man wieder jugendlich und steigt nicht bloß auf die Heinrichsbaude, sondern
tut auch das denkbar Jugendlichste und sendet Bilder-Postkarten in die Welt
hinaus. Die eine davon trifft sie."
An Freunde schreibt er: "in der Gebirgseinsamkeit" bleibt er glücklich
und zufrieden oder das es "hier oben himmlisch ist".
Die Abreise muss um den 20. September herum erfolgt sein. Am 28. September schreibt
er von Berlin aus an Friedlaender: "Gerade eine Woche ist es her, auf die
Stunde, dass ich Sie zum letzten Mal auf der Brotbaude sah, Sie und den "Pius-Ritter" [4]
und Bergel.
Weiter heißt es dann: "Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen von hier aus nochmals
zu danken für die große Liebenswürdigkeit und Treue im Besuch der Brotbauden-Einsiedler".
Die alte Brodtbaude steht noch gut erhalten als Nebengebäude des späteren stattlichen
Neubaus, nunmehr in Karpacz-Gorny, als Ferienheim.
Mit dem Erreichen der Brodtbaude geht der Spaziergang zu Ende. Man hätte ihn
noch bis zur etwas höher gelegenen Schlingelbaude ausdehnen können, aber Fontane
verabscheute, aus welchen Gründen immer, den damaligen Baudenwirt Heinrich Einert.
1891 schreibt er an Friedlaender: "Schade, dass man immer an der entsetzlichen
Schlingelbaude vorüber muß."
Als Einert da oben eine Stahlquelle für medizinische Belange ausnutzen möchte,
schreibt er: "Schade, daß die Stahlquelle nicht bei der Annakapelle springt,
aber "Schlingelbaude", das will mir nicht eingehen, abgesehn von dem
langen, arroganten Schlaaks, der jetzt da oben sein Wesen treibt".
Dabei war Einert nicht nur ein sehr engagierter Baudenwirt, auch nach 1907, als er die Baude verkauft hat und in Brückenberg das Hotel "Wang" übernahm, hat er sein Engagement fortgesetzt und sehr viel für den touristischen Aufschwung Brückenbergs getan.
[1] "barfuß"
[2] Die der Dichter von Berufswegen durchzulesen hatte.
[3] Beide Orte im Deutsch-Ostafrika.
[4] Mit dem "Pius-Ritter"
ist Kommerzienrat Richter gemeint; Bergel war ein zum Christentum übergetretener
Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, der nun als Dorfschullehrer in Quirl
lebte.