von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Nachwort
Fontane sollte nie wieder nach Krummhübel oder Brückenberg kommen, obwohl er
im nächsten Jahr in seinen Briefen mit Krummhübel geliebäugelt hat.
Am 03. Mai 1891spricht Fontane wieder von einer Krummhübel-Reise.
"Seit drei Tagen ist ja nun Sommer und man darf sich mit Sommerplänen tragen".
"Dann wollen wir wieder ins Gebirge gehen, am liebsten an die alte Stelle.
Kommt es noch dazu und ist das Wetter nicht zu schlecht, so will ich diesmal
mehr steigen als früher." Aber sofort kommt der Dämpfer mit der Schlingelbaude.
Am 18. Juli kommt ein Rückzieher. "Mit meiner Reise ins Gebirge bzw. mit
einem Aufenthalt auf der Brotbaude kann es nichts werden, so sehr ich diesen
Fleck auch liebe, mehr als irgendeinen den ich kenne."
Wir erfahren die Gründe: Frau Fontane hat erklärt, sie könne "bei aller
Würdigung der schönen Natur, doch die Blasiusse, die dort oben beständig zu
Hause sind, nicht ertragen."
Der Dichter lässt dies resigniert gelten. Denn "im vorigen Jahr haben meine
Frau und Tochter vier Wochen lang nachts keine zwei Stunden geschlafen, wegen
der ewigen Stürme. So müsste ich denn dort oben allein sitzen oder, noch schrecklicher,
in Gesellschaft eines dorthin verschlagenen großmäuligen oder vergrätzten Berliners
oder gar einer knausrigen und wichtigtuerischen Berlinerin. Unter diesen Umständen
habe ich die Brotbaude, sehr zu meinem Schmerze, aufgeben müssen."
Im nächsten Brief kommt eine erneute Wendung: "Wir stimmen auch überein
damit, dass Krummhübel-Brückenberg das Allerschönste ist, und ginge es nach
mir, so rückten wir wieder auf die Brodtbaude die für mich nicht bloß eine von
Wald umzirket Wieseninsel, sondern trotz Inzest und ähnlichen Beiwerk, was da
blühen soll (!), die "Insel der Seligen" bedeutet".
1892 macht er dann mit einer erneuten Reise ins Riesengebirge ernst.
Am 04. April schreibt er: "Wir werden wohl ins Gebirge kommen, aber nicht
so hoch hinauf. Ich habe an Seidorf gedacht". Dann kommt aber eine Wendung,
die überraschen muss: "Die alten Stätten möchte ich vermeiden ...".
Später kommt die "krankhafte Nörgelei" über vergangene Orte wieder
zum Vorschein.
Dann: "Am anheimlichsten erscheint uns Petersdorf, das wundervolle Verbindungen
hat. Das einzige, was dagegen spricht, ist die zu große Entfernung von Schmiedeberg.
d.h. von Friedlaenders."
Im nächsten Brief ein neues Ziel: "Buchwald hochgelegen, Wald und Schatten, das lockt, und alle Plätze verhältnismäßig nahe von Schmiedeberg." Buchwald oder genauer, die Villa "Gottschalk" im Ortsteil Drehhaus ist es dann geworden.
Nach der Villa hat man lange gesucht.
Hans Reitzig ging von Erdmannsdorf aus. Udo Wörffel vermutete sie zwischen Zillerthal
und Schmiedeberg, vielleicht in Quirl.
Zur Entschuldigung sei gesagt, es war nicht immer einfach mit Fontanes Ortsangaben.
Ich erfuhr sehr frühzeitig den richtigen Standort durch Herrn Ulf Korn, geboren
in Arnsdorf, einem exzellenten Fontane-Kenner.
Ganz in der Nähe der Villa "Gottschalk", nicht weit vom Haus Friedlaender
entfernt, lag und liegt Schloss Neuhof, wo Fontane beim Prinzen Reuß verkehrte.
Etwas weiter in Richtung Hohenwiese befindet sich der "Annenhof". Es war die Villa des Rohmetallkaufmannes Theodor Grosser, der diese im toskanischen Stil in einem 6.000 qm großen Park, welcher wohl früher zum Anwesen von Schloss Neuhof gehörte, durch den Architekten Ludovici für seine Frau Anna erbauen ließ.
Theodor Grosser war mit Fontane bereits
von Berlin her befreundet und konnte durch seine Geschäftsverbindungen nach
Amerika dem Dichter auch künstlerische Anregungen für seinen Roman "Quitt"
vermitteln.
Seine Tochter Constanze, verheiratet mit dem Geheimen Oberregierungsrat und
Vortragenden Rat im Ministerium für öffentliche Arbeiten Julius Reinhold Stöckardt,
hielt sich regelmäßig auf dem Familiensitz in Hohenwiese auf. Hier lernte das
Ehepaar 1885 den Dichter kennen, der nun häufiger Gast im "Annenhof"
war und nahmen wie er am gesellschaftlichen Leben von Schmiedeberg und Krummhübel
teil.
Udo Wörffel irrte auch hier als er auf Seite 83 seines bereits im Vorwort erwähnten
Buches schrieb: "Auf dem Weg von Schmiedeberg nach Hohenwiese lag der Annenhof,
der dem Geheimen Oberregierungsrat und Vortragenden Rat im Ministerium für Öffentliche
Arbeiten in Berlin, Reinhold Stöckhardt gehörte. Er hatte die Tochter Constanze
des bereits erwähnten Schmiedeberger Baumeisters Karl Grosser geheiratet und
sich von seinem Schwiegervater als Ferienhaus den Annenhof im Stil eines Florentiner
Sommerhauses erbauen lassen".
Es war der letzte Urlaub des Dichters im Riesengebirge, in dem er, besonders
aber in Krummhübel, so angenehme Zeiten verbracht hatte, auch wenn er, der in
den letzten Jahren an Gehirnanämie litt, manchmal sehr ungerecht über Land und
Leute urteilte. Es überrascht daher keinesfalls als er 1886 die bekannten Sätze:
"Krummhübel ist mir verleidet ...". Das lag am Wetter und am Schiller-Hause
mit seiner "Mischung von Schwüle und Sonnenlosigkeit" zu Papier brachte.
Den Rest der weiteren Aussagen haben wir bereits unter: "Eisenhammer"
und "Alexandrinenbad" erfahren.
Wenig später hatte er meist seine Meinung geändert und seinen Frieden mit den
zuvor Gescholtenen gemacht. Mit Fug und Recht kann man sagen, er hat das Riesengebirge
und insbesondere Krummhübel geliebt. Das kommt in seinen Briefen wiederholt
zum Ausdruck. Hier einige Beispiele:
Am 13. Juli 1885 schreibt Fontane an Mathilde von Röhr: "Hier ist es wundervoll,
und ich bin jeden Tag voll Dank, dass ich mit 65, wo doch die meisten schon
sehr klapprig sind, noch so schöne, glückliche Tage leben kann. Ich kann arbeiten,
in die Berge gehen, mit freundlichen Menschen plaudern und genieße dabei vor
allem den Vorzug, eine bei jeden Atemzug mich erquickende Luft zu atmen."
1886 überlegt Fontane lange wo er seinen Urlaub verbringen wird. Dann kommt
die Entscheidung: "So wird´s denn wohl wieder Krummhübel werden und
meine Frau zählt schon jetzt die Tage und blickt auf die zwei Schreiberschen
Stuben wie auf einen Ruhehafen".
Am 08. Juli 1889 sinniert Fontane: "Werde ich Krummhübel noch mal wiedersehen?
Ich liebe es so sehr und verdanke ihm so viele schöne Tage, viel, viel mehr
als man durchschnittsmäßig in Sommerfrischen zu haben pflegt".
Zum Schluss wird von dem Wunsch gesprochen, "gerne wieder mal in der sogenannten
"Schreiberei" zu wohnen, die, wenn ich da war, doppelten Anspruch
auf diesen Namen hatte."
Das Jahr 1890 sollte noch einmal die Erfüllung seines Wunsches bringen. Krummhübel
stand auf dem Reiseplan. Zwar äußerte der Dichter am 27. Mai noch kleine Bedenken:
"für das Rennen und Steigen im Gebirge und ein Nachtquartier in einer Sennhütte
(!) sei man wohl doch schon zu alt geworden, um noch Gefallen daran zu finden."
In diesem Lebensabschnitt wären vielmehr große Bäder mit ihren Zerstreuungen
das Beste. Immerhin: "Krummhübel hat schon ein bisschen davon".
Die Einwohner von Krummhübel wussten von jeher was sie ihrem berühmten Sommergast
schuldeten. Reitzig schrieb: "Aber es muß doch für Krummhübel als Auszeichnung
angesehen werden, wenn Fontane besonders vertraute Einwohner als Handelnde in
dem Roman [1] einpflicht, und zwar mit vollen Namen".
In der Chronik, "… über ein halbes Jahrtausend am Fuße der Schneekoppe",
wurde er sehr ausführlich gewürdigt. Wir lesen dort: "Theodor Fontane war
kein Bürger unserer Gemeinde, doch fühlte er sich durch mehrfache, längere Besuche
unserer Heimat innerlich verbunden".
Mit folgenden Worten unseres Heimatforschers Hans Reitzig endet die Würdigung
des großen Dichters: "Mit Fontanes Werk und seinen Briefen hat ein entscheidender
Abschnitt Krummhübler Geschichte sein Spiegelbild gefunden. Die Feder, die es
zeichnete, war keine einfache; der sie führte, war einer der erlesensten Geister
seiner Zeit".
Quellen:
Kurt Schreinert "Theodor Fontane Briefe an Georg Friedlaender", Quelle
& Meyer, Heidelberg 1954
Dr. Hans Reitzig "Wir haben vor wieder nach Krummhübel zu gehen",
Zeitschrift "Heemte-glöckla", 1954 / 55
Udo Wörffel: "Theodor Fontane im Riesengebirge", Verlag der Nation,
2000
[1] Gemeint ist "Quitt".