von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Das übernächste Haus mit der Nr. 40
ist das Gasthaus, später Hotel, "Zur Schneekoppe". Nach dem 1. Weltkrieg
wurde es unter dem Namen Riesengebirgsheim von der "Gesellschaft für Ferienheime
für Handel und Industrie e.V.", mit Sitz in Wiesbaden übernommen. Jenes
Haus also, dass, wie im Vorwort beschrieben, nun ein Wohnhaus geworden ist bzw.
nach Udo Wörffel nicht mehr existieren sollte.
Es steht noch in Nieder-Krummhübel, dem heutigen Karpacz, unübersehbar unter
dem Namen "Piast", als Erholungsheim der polnischen Gewerkschaft.
Bei meinem letzten Besuch im Herbst 2011ist es wohl verkauft worden. Man kann
nur hoffen, dass dieses traditionsreiche Haus eine Zukunft hat und erhalten
bleibt.
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Als 1884 Theodor Fontane zum zweiten
Mal seinen Urlaub in Krummhübel verbrachte und bei Schreiber Quartier genommen
hatte, nahm er seine Mahlzeiten, auch in den nächsten Jahren, im Gasthaus "Zur
Schneekoppe" ein.
9 Silbergroschen musste er damals für ein Menü bezahlen. Er kannte daher den
Wirt Albert Exner und hat sich oft mit ihm unterhalten. Auch Lehrer Lösche lernte
er hier kennen und schätzen. Hier scheint der im Essen Anspruchsvolle ausnahmsweise
zufrieden gewesen sein. Der sonst so Kritische findet nur Lob für die Wirtsleute,
die Exners, bei denen er hin und wieder auch gesellige Abende verbrachte.
Das Gasthaus "Zur Schneekoppe" war damals gesellschaftlicher Mittelpunkt
von Krummhübel. Alles was Rang und Namen hatte, traf sich zum Kaffee, zum Konzert,
aber auch zum Tanz und zu Theateraufführungen im Schneekoppensaal. Albert Exner
war natürlich stolz, einen von allen Sommerfrischlern so beachteten Mann, als
täglichen Stammgast begrüßen zu dürfen.
Gegenüber vom Gasthaus die alte Schule mit der Nr. 34. Später entstand hier
nach Abriss der Schule das Fotohaus von Kleeberg, dem bekannten Fotografen von
Krummhübel. Hier residierte zu damaliger Zeit der bereits erwähnte Lehrer Lösche,
"ein ganz netter Mann", wie Fontane schrieb.
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Mit ihm verband ihn eine Art Zweckgemeinschaft,
hoffte er doch detaillierte Informationen für seine Novelle "Quitt",
die den Mord an dem Förster Frey zum Inhalt hatte, zu erhalten. Wie schon beschrieben
waren sich 1884 beide Männer in der "Schneekoppe" begegnet. Der Lösche
war auch "Postagent" und wickelte in der Mittagszeit im Gasthaus den
Hauptteil seines Schalterdienstes ab.
Von allen Krummhüblern hatte sich Fontane am meisten mit Lehrer Lösche angefreundet.
Ihm wird später mit dichterischer Freiheit das Verdienst zugesprochen, den ermordeten
Förster Frey zuerst gefunden zu haben.
Auch dieses Haus besteht noch als Wohn- und Geschäftshaus in Karpacz.
Nun wechseln wir wieder die Straßenseite und kommen zum Haus Nr. 38, dem
Laborantenhaus Zölfel.
Bereits 1884, dem Todesjahr von Zölfel ist er oft bei der Witwe Martha eingekehrt,
um mit ihr zu plaudern und das für den gelernten Apotheker doppelt interessante
Haus zu durchstöbern.
Dem letzten Laborantenvertreter Ernst
August Zölfel, hat er 1891 mit "Der letzte Laborant" ein liebenswürdiges
literarisches Denkmal gesetzt.
Auch dieses Haus ist nicht laut Udo Wörffel verschwunden, es hat sich aber etwas
im Laufe der Jahre verändert. Seine ursprüngliche Bauform ist jedoch noch deutlich
erkennbar. Heute dient es als Wohnhaus. Seit 2011 steht ein Granit mit der Aufschrift
"Laborant" vor dem Haus. Eine Tafel erklärt mehrsprachig das Laborantenwesen.
Gegenüber das Anwesen Nr. 39 von August Siebenhaar, Fuhrunternehmer und Landwirt.
Bei Hans Reitzig lesen wir im "Heemte-glöckla": "Am Nachmittag
des 18. Juli 1884 zuckelte ein zweispänniger Landauer über die holprige, staubige
Steinseiffener Landstraße. August Siebenhaar, der Krummhübler Fuhrmann, mochte
sich Gedanken machen, wer wohl der schlanke Mann sei, dessen volles angegrautes
Haar unter einem schwarzen Schlapphut hervor lugte und dessen herabhängender
Schnauzbart Gemütlichkeit verriet. Denn die Art, wie der Schmiedeberger Amtsrichter
Friedlaender den Fremden empfangen und zum Wagen geleitet hatte, musste schon
zum Nachdenken anregen. Zudem hatte auch Dr. Schwerin, seit Jahren getreuer
Sommerfrischler im Alexandrinenbad, beim Bestellen der Fuhre Bemerkungen gemacht,
die auf Besonderheit des Fahrgastes schließen ließen ….. Gegen sechs Uhr hielt
der Wagen vor dem Exnerschen Gasthause "Zur Schneekoppe", wo auch
schon der "gute Schwerin" zum Empfang bereit stand. Etwa einhundert
Meter bergauf gingen dann beide Männer, bis zu der Stelle, wo man inmitten blumiger
Wiesen und von hohen Linden überschattet ein sauberes Landhäuschen erblicken
konnte. Dort also im Anwesen Nr. 41, beim Gartenstellenbesitzer und Fremdenführer
Julius Schreiber wäre des Neuankömmlings Ferienbleibe, erklärte Dr. Schwerin.
Aber leider sei noch alles besetzt und erst in sechs Tagen, am kommenden Dienstag,
könnte die bestellte Giebelstube bezogen werden. Eben habe er noch mit Schreibers
gesprochen, allen wäre es peinlich. Aber im Niederdorfe, im "Augustabad",
soll gerade ein Zimmer frei geworden sein, ein Wunder eigentlich im überfüllten
Krummhübel ….
Im Roman "Quitt" musste der freundliche Fuhrmann August Siebenhaar
zu einer Namensübertragung an den Arnsdorfer Pastor herhalten.
Heute ist das kleine, einst aus massivem Granit gebaute Gebirgshaus abgerissen.
Es musste nach 1945 der Erweiterung der Hauptstraße, welche heute "Konstytucji
3 Maja" heißt, weichen. Geblieben ist die Scheune, als einsames Relikt
vergangener Zeiten.
Das Haus von Schreiber, Nr. 41 von
Krummhübel lag ein paar Meter abseits von der Chaussee. Nach dem kurzen Aufenthalt
im "Augustabad" war nun die bestellte Giebelstube frei geworden und
Fontane konnte einziehen.
Inzwischen war auch die Gattin des Dichters eingetroffen und er selbst konnte
an die Arbeit gehen, die er sich mitgebracht hatte. Fontane war kränklich und
abgearbeitet, aber hier in der köstlichen, anregenden Gebirgsluft, entfachte
sich die Regsamkeit des Dichters von Neuem. Dazu lud Schreibers weinumrankte
Gartenlaube zum Sinnieren ein. (auf dem Foto von 1889 links am Bildrand)
"Man fährt fort, sich zu erholen", heißt es in einem Brief an Tochter
Mete. Zum Beweise dafür wird berichtet, dass Fontanes am Tage vorher einen neunstündigen
Ausflug nach der "Annakapelle" gemacht hätten, "von denen gut
die Hälfte marschiert wurde". Am 01. September kommt der Abschied, "der
uns diesmal sehr schwer werden wird." Und so ist es kein Wunder, dass sich
schon am 26. März 1885 ein an Georg Friedlaender gesandtes Lebenszeichen auch
mit dem Wiederkommen beschäftigt: "Wir haben vor, wieder nach Krummhübel
zu gehen, zu denselben Leuten, wo wir im vorigen Jahre so gut aufgehoben waren."