Theodor Fontane in Krummhübel

Ein Spaziergang auf den Spuren Fontanes von der Villa "Viola" zur Brodtbaude

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

Vorwort.
Nach der Eroberung Schlesiens durch Friedrich II. hatte das vorwiegend ebene Preußen endlich auch Mittelgebirge und mit der Schneekoppe, damals 1.605 m hoch, Deutschlands höchsten Berg nördlich der Alpen, erhalten. Nach und nach nutzten besonders die Bewohner von Berlin die Gelegenheit das Gebirge, sozusagen vor ihrer Haustür, zur Sommerfrische, wie man damals sagte, aufzusuchen.

Krummhübel, direkt unter der Schneekoppe gelegen, nahm dabei einen besonderen Platz ein. Es war Mode geworden, dass betuchte Bürger der Hauptstadt ihren gewohnten Komfort für einige Wochen im Sommer gegen oft recht bescheidene Verhältnisse in den Bergdörfern, so auch in Krummhübel, der Perle des Ostriesengebirges, wie es oft genannt wurde, eintauschten.

Bei Hans Reitzig, dem bekannten Heimatforscher, hört es sich so an:
"Dürftig waren die Unterkünfte, die die ersten Gäste gern in Kauf nahmen, um in der einsamen, noch wenig erschlossenen Bergwelt wahrhaft Ferien zu genießen. Es war wohl mehr das ländlich-sittliche, das so ganz andere, was hohen Beamten, Professoren, Offizieren, den Aufenthalt reizvoll erschienen ließ. Wer, wie es damals "Ehrensache" war, an einem Tag nach Spindlermühle und zurück gewandert war, schlief auf härtestem Lager besser als auf Daunenbetten daheim, dem schmeckte auch das eiskalte klare Bergwasser wie Wein…".

Über Krummhübel ist viel geschrieben worden und in der Literatur wurde es in "Die Laboranten von Krummhübel" von Hans Reitzig verewigt. Krummhübel war der Hauptort der sogenannten Laboranten, Laienapotheker, die den dortigen Reichtum an Kräutern zur Herstellung von Arzneien nutzten und diese bis nach Polen und Russland vertrieben. Der letzte Laborant Ernst August Zölfel starb 1894. Diesem Thema widmete sich ebenfalls Theodor Fontane, der von Beruf Apotheker war und sich sehr für die alte Kräuter-Medizin interessierte.

In den Jahren zwischen 1872 und 1890 hat Fontane, wenn man das, später eingemeindete Brückenberg dazu rechnet, insgesamt sieben Sommer im Ort verbracht.
Er war sicher in dieser Zeit der bekannteste Feriengast und hat sich eingehend und liebevoll mit dem Ort beschäftigt und auch zahlreiche Freundschaften geschlossen. Eine solche Freundschaft bestand mit dem Lehrer Lösche, von welchem er sich durch seine Erzählungen über einen ungeklärten Mordfall an einem Wolfshauer Förster zu seinem Roman "Quitt" inspirieren ließ
.
Kein Gast hat Krummhübel in der Literatur so bekannt gemacht wie Theodor Fontane. Neben dem erwähnten Roman hat er weitere Geschichten in seinem Buch "Von, vor und nach der Reise" veröffentlicht.
Manchmal war ihm sein Bekanntheitsgrad auch unangenehm und er resümierte: "Fünfzigmal Guten-Abend-Sagenmüssen war selbst für meine Höflichkeit zu viel".

Kein Wunder wenn es zahlreiche Fontane-Verehrer nach Krummhübel, welches heute Karpacz heißt, zieht, um auf den Spuren von Fontane zu wandeln. Solche Reisen werden, getreu dem Motto, "wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen", in der Regel nach Rückkehr der Teilnehmer ausgewertet. Es wird darüber geschrieben und es wird auch veröffentlicht. Eine dieser Veröffentlichungen wurde mir zugesandt und war dann auch Anlass zu diesem Bericht. Der Name der Zeitung war auf dem Ausschnitt nicht zu erkennen. Der Bericht war, wenn ich mich recht erinnere von einer Fontane-Gesellschaft aus Norddeutschland, welche unter "kompetenter Führung", wie sie schrieben, Krummhübel besucht hatte.

Die erwähnte Kompetenz ließ jedoch zu wünschen übrig. Man hatte zwar u.a. die Häuser von Julius Schreiber, wo er 1884 und 1885 Urlaub machte, von Maywald am Gehängeweg, wo er sich 1872 aufhielt, von Vinzenz Meergans bei dem er 1887 untergekommen war und auch die Brodtbaude in Brückenberg erkannt, die Villa "Viola" in Birkigt aber nicht gefunden. Aus dem ehemaligen Gasthaus "Zur Schneekoppe" war nach Ansicht des Führers ein Wohnhaus geworden und das Haus Nr. 84 am Neuhäuser, in unmittelbarer Nähe der Großen Lomnitz, wo er 1886 bei Gustav Schiller eine Art Ausweichquartier erhielt, weil er sich wieder zu späte für Krummhübel entschieden hatte und daher bei Schreiber alle Zimmer besetzt waren, war gar abgerissen.

Auch bei Dr. Wörffel finden wir in seinem ansonsten recht guten Buch "Theodor Fontane im Riesengebirge", neben einigen unwesentlichen geographischen Fehlern, ähnliche Falschaussagen. Er schreibt: "Während der Gasthof "Zur Schneekoppe" heute nicht mehr besteht, ist der "Gerichtskretscham" als Gebäude erhalten". Über das "letzte Laborantenhaus" von Zölfel heißt es im Buch: "Das zölfelsche Haus im mittleren Dorf, das lange Jahre als Laborantenmuseum diente, existiert heute nicht mehr".

Weiter schreibt er dann: "Bis 1945 war es leicht, mit Hilfe eines von der Kurverwaltung herausgegebenen Panoramaplans mit Hausnummerierung die einzelnen Ferienquartiere Fontanes zu orten. Wegen der inzwischen eingetretenen Veränderungen, sowohl beim Hausbestand als auch beim Zustand der einzelnen Häuser, ist das heute kaum noch möglich".

Zur weiteren Verständigung sei festgehalten, durch den sich rapide entwickelten Touristenverkehr wurden, vielleicht mit Ausnahme vom Haus "Meergans", der Villa "Pottlich" oder dem Haus "Ursula", alle größeren und damals schon als Touristenunterkünfte genutzten Häuser um- und ausgebaut, um den steigenden Ansprüche zu genügen. In dieser veränderten Form sind sie jedoch alle noch erhalten, wie man im weiteren Verlauf des Berichtes erfahren wird. Auch die von Dr. Wörffel angesprochenen Panoramapläne kann man im Internet, auf Börsen usw. problemlos, oft für "kleines Geld", erwerben. Lediglich die Hausnummern wurden nach 1945, aus gutem Grund, verändert.

Wenn man in Krummhübel geboren ist und sich mit der Heimatforschung beschäftigt wundert man sich schon über solche Aussagen, welche Ergebnis ungenügender Recherchen sind. An Hand der Briefe Fontanes an Georg Friedlaender, von Schreinert und Hettche veröffentlicht, aber auch weiterer Briefe Fontanes an Freunde und Verwandte, ausgewertet von Dr. Hans Reitzig, dem Heimatforscher aus Krummhübel, veröffentlich unter dem Titel "Theodor Fontane und Krummhübel" im "Heemte-Glöckla", der Heimatzeitschrift der vertriebenen Einwohner von Krummhübel und Umgebung, lassen sich nicht nur die Aufenthaltsorte, sondern fast alle Stätten, die er besucht oder beschrieben hat, wenn auch, wie schon gesagt, baulich meist verändert, noch finden.

Der Spaziergang
Beginnen wir, sozusagen zur Beweisführung, den Spaziergang in Birkigt, einem Ortsteil von Arnsdorf, nur wenige Häuser gehörten zu Krummhübel. In damaliger Zeit nannte man einen solchen Ortsteil, Kolonie.

Birkigt war zu Zeiten Fontanes, als sich der Fremdenverkehr noch nicht ausschließlich, in die Nähe des Hochgebirges verlagert hatte, eine beliebte Sommerfrische. Gleich am Ortseingang auf der rechten Seite der Chaussee, welche von Hirschberg nach Krummhübel führte, liegt die Marienschleife. 1896 von Kommerzienrat Heinrich Richter, bei dem er als Freund einer guten Küche häufiger Gast war und besonders von Marie, dessen erster Frau, beeindruckt war, als Holzschleife für seine Papierfabrik gebaut. Er nannte sie nach seiner Frau Marie, "Marienschleife". Fontane nannte Marie "schöne Frau von Arnsdorf". Bis vor wenigen Jahren wurde hier noch produziert.

Schräg gegenüber, etwas hinter Bäumen versteckt, aber doch noch gut von der Straße aus erkennbar, die im Zeitungsbericht nichtgefundene Villa "Viola". Dringend sanierungsbedürftig, aber noch bewohnt. Es war das Sommerhaus von Heinrich Richter. Nach dem Tod von Heinrich Richter wohnte seine zweite Frau Lilly, nunmehr in zweiter Ehe, als Frau Grobe in dem Haus.

Aus der ersten Ehe mit Maria gingen zwei Töchter hervor, Ursel und Anna. Über Ursel schrieb Fontane: "Ursel ganz Richter, aber rassevoller, angehende Romanfigur".
Ursel verstarb 1942. Anna war mit dem Juristen Dr. Schäfer verheiratet. Aus der Ehe ging Tochter Elisabeth hervor. Während des Krieges kehrten Marie, Anna und Elisabeth aus Berlin nach Birkigt zurück und wohnten in der Villa "Viola".

1945 starb Marie. Sie wurde auf dem evangelischen Friedhof in Arnsdorf an der Seite von Heinrich Richter, der inzwischen aus kommerziellen Gründen zum protestantischen Glauben übergetreten war, beerdigt.



Villa "Viola" in Birkigt 2008

Danach wurden Anna und Elisabeth von den Polen aus dem Haus gewiesen. Sie kamen zu der Familie meines Schulfreundes Hubert Mischke, in das sogenannte "Hampelhaus" von Krummhübel.

Einige Meter weiter, auf der rechten Seite stand das Hotel "Eisenhammer". Von Heinrich Richter wurde der Platz von der Herrschaft Matuschka gekauft und nach Plänen des Dr. Heidenhain 1886 ein Pensionat und Kurheim für Erholungsbedürftige und Leidende gebaut. Der Neubau sollte durch seine stilvolle Ausführung eine Zierde für Birkigt und Umgebung werden. Zwischen den beiden Bächen der Lomnitz war ein prächtiger Park geplant. Die Bauarbeiten hatten Maurermeister Kahl aus Arnsdorf und Zimmermeister Grosser aus Schmiedeberg übernommen. Nach anfänglichen Erfolgen wurde dann aus dem Kurheim ein Hotel mit vielen Wechseln der Pächter, insgesamt gesehen jedoch eine Fehlspekulation. Fontane hatte auf den Neubau große Hoffnungen gesetzt. In einem Brief an Friedlaender schreibt er 1886, als er sich wieder einmal über die Wohnverhältnisse bei Schiller am Neuhäuserweg ärgerte, dass ihm nach Krummhübel "nicht vier Pferde mehr kriegen", es sei denn, "das große Hotel, das Richter, glaub ich, in Birkicht (Birkigt) zu bauen plant, fertig ist". Das Hotel wurde nach 1945 von den Polen abgerissen.



Birkicht, Hotel "Eisenhammer"

Etwa einhundert Meter weiter verlassen wir die Chaussee und biegen kurz vor dem Kolonialwaren-Geschäft von Krause-Hertwig, links in Richtung Steinseiffen, um gleich wieder rechts einen Fußweg, fast parallel zur Chaussee, zu begehen, der uns vorbei am Gut von Ulbricht und dem Haus von Tischler Friese zum Haus Nr. 116 – "Haus am Bach" – führt, ab.



Ehemals Krause – Hertwig 2011

Besitzer war Adolf Meergans. Für den Heimatforscher Dr. Reitzig der letzte noch lebende Zeuge, der Fontane in seinem Vaterhaus in Mittelkrummhübel noch erlebt hatte. Adolf Meergans damals 1887 vielleicht 9 Jahre alt, erinnert sich: "Ei dar grußa Stube, rechts vo der Haustüre, und ei dar kleenen Hinterstube hoat er mit senner Tucher gewohnt. Und goar ufte hoa iech zugesahn, wie dar Fontane oa semm´ klenna Tischla geschrieba hoat mit`m Faderkiele. Dan hoat ar sich – die Prille uff die Noase geschoba-mit am klenna Masserlla immer salber gespitzt, – Na, und uff dam Tische soags immer tulle aus. (!) Die viela Bicher, die do druffe loaga"... [1]

Kurt Schreinert, der als Erster die Briefe an Friedlaender herausgab, hat dieses Haus irrtümlicher Weise als Urlaubs-Dominizil von Fontane 1887 bezeichnet. In den Erläuterungen zum Inhalt heißt es auf Seite 345: "F. war am 19. August in Krummhübel eingetroffen und hatte Wohnung im Haus Meergans im "Birkicht" genommen. Das "Birkicht" ist hier überfällig.

Als Kind habe ich im Nachbarhaus, dem Haus "Talfrieden" gewohnt und kannte Adolf Meergans recht gut, er war damals der Schrecken aller Kinder in der Nachbarschaft. Das Haus ist noch bewohnt. Eine Sanierung wäre jedoch dringend notwendig.

Haus am Bach 1911
Haus am Bach 2011



[1] "In der großen Stube rechts von der Haustüre und in der kleinen Hinterstube hat er mit seiner Tochter gewohnt. Und gar oft habe ich zugesehen, wie der Fontane an seinem kleinen Tisch geschrieben hat mit einem Federkiel. Dann hat er sich die Brille auf die Nase geschoben und mit einem kleinen Messer immer selber gespitzt,- Na, und auf dem Tisch sah es immer toll aus. (!) Die vielen Bücher, die da drauf lagen…"

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