Wohl kein Baudenkmal im Riesengebirge
ist häufiger fotografiert worden als, die Kirche Wang "Bergkirche unseres
Erlösers zu Wang", wie sie offiziell heißt, in der Gemeinde Gebirgsbauden-Brückenberg.
Postkarten, vielleicht in Millionenhöhe, haben dieses Kleinod norwegischer Holzschnitzkunst,
aber auch das Gebirgsdorf, weit über die Grenzen Schlesiens hinaus bekannt gemacht.
Weniger zahlreich sind Aufnahmen, welche die Pfarrei Wang von 1844, dem Jahr der Einweihung oder das Denkmal der
Gräfin Reden von 1857 zeigen.
Umso mehr erfreut war ich, als im polnischen Internet eine Grußkarte angeboten
wurde, welche Kirche, Pfarrei und Denkmal in Verbindung mit der Schneekoppe
zeigt. Für einen angemessenen Preis konnte ich sie ersteigern und seitdem ist
sie eine Rarität in meiner Ansichtskarten-Sammlung.
Am 14. Mai 1854 war die verwitwete
Gräfin Johanne Juliane Friederike von Reden, die Herrin von Buchwald, im Alter
von 80 Jahren verstorben.
Mit ihr war eine bedeutende Persönlichkeit, eine ernste Christin und mütterliche
Freundin König Friedrich Wilhelms IV., den sie, 26jährig, 1800 als 5 jährigen
Knaben im Hause ihres Schwagers Graf Reuß in Berlin kennen gelernt hatte.
Die Verdienste der Gräfin um die Bewohner unseres Gebirges sind hinreichend
bekannt und entsprechend gewürdigt worden. Hervorzuheben sind dennoch die Buchwalder
Bibelgesellschaft, die Ansiedlung der Zillerthaler, die die Gräfin mit "Muetter"
anredeten und die Kirche Wang.
König Friedrich Wilhelm IV. bezeugte seine Freundschaft für die Verstorbene,
indem er schon wenige Monate nach ihrem Tod, im Juli 1854, mit seiner Gemahlin
und seiner Schwester, der verwitweten Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg,
nach Erdmannsdorf und reiste von dort mit der Großherzogin nach Wang, um dort
einen Platz für ein Denkmal für die Gräfin auszuwählen.
Der König fuhr bis Krummhübel, wohin für ihn und seine Schwester die Königlichen
Stühle vorausgesandt waren. Nur an steilen Stellen ließ er sich tragen, sonst
ging er meist zu Fuß. Über dem Waldhaus, der damaligen Brückenberger Mühle,
empfing ihn der Klang der Glocken der Kirche Wang. Unter ihrem Geläut stieg
er empor. Pastor Werkenthin ging ihm im Talar entgegen und geleitete ihm in
die Kirche.
Dann ging der König mit der Großherzogin
auf dem Kirchplatz, der damals noch recht kahl war, umher und bestimmte die
Stelle für das Denkmal an der Felswand, neben der Schulstube. Es wird berichtet,
dass er damals auch die Anpflanzung von Bäumen befohlen habe. Vier Birken, drei
Ebereschen, eine Lärche und eine Linde wurden auf seinen Wunsch gepflanzt.
Erst dann kehrte er im Pfarrhaus ein, um das mitgebrachte Frühstück, bestehend
aus Butterschnitten und kaltem Kalbsbraten, zu verzehren.
Im Anschluss wurde sofort der Rückweg wieder über Krummhübel angetreten.
Zur Mittagstafel in Erdmannsdorf wurde der Superintendent Roth befohlen und
ihm der Auftrag erteilt, eine Aufschrift für das Denkmal zu entwerfen. Am nächsten
Tag bereits reiste der König über Bunzlau zurück nach Berlin. Die Reise hatte
nur der Denkmalsangelegenheit gegolten.
Roth schickte seinen Entwurf nach Berlin und der König nahm ihn unverändert
an. Folgende Inschrift schlug Roth vor:
"EINE TREUE UND DEMÜTIGE JÜNGERIN GOTTES ... TREU IM KLEINSTEN,
KLAR UND BEHARRLICH IM SCHWIERIGSTEN, IMMER SICH GLEICH VOR HOHEN WIE VOR NIEDEREN,
EINE MUTTER DER ARMEN, EINE ZUFLUCHT ALLEN FÜR RATH UND HÜLFE WAR SIE EINE STÜTZE
DES RETTUNGSHAUSES ZU SCHREIBERHAU, EINE PFLEGERIN DER ANSIEDLUNG DER UM DES
EVANGELISCHEN WILLEN AUSGEWANDERTEN ZILLERTALER, ... DIE HIRSCHBERGER BIBEL
ENTZOG SIE ARGEM VERGESSEN ZU NEUER VERBREITUNG, DIE URALTE KIRCHE VON WANG
IN NORWEGEN VOM UNTERGANG GERETTET, WURDE AUF IHREN RAT HIER NEU AUFGERICHTET
DIE PFARRKIRCHE DER BERGBEWOHNER ..."
Später fügte er eigenhändig den letzten Satz daran:
"KÖNIG FRIEDRICH WILHELM IIII. SEIT BEGINN DES JAHRHUNDERTS
MIT DER FREUNDSCHAFT DER UNVERGESSLICHEN BEEHRT; SETZTE IHR DIESES DENKMAL IN
UNVERGESSLICHER LIEBE; ANERKENNUNG UND DANKBARKEIT IM JAHRE 1856."
Es dauerte geraume Zeit bis diese Inschrift zur Ausführung und Aufstellung auf
Wang gelangte. 1856 wird mit dem Bau begonnen. Mit Genehmigung des Grafen Schaffgotsch
als Grundherr wurde aus einem naheliegenden Granitblock ein steinernes Becken
ausgehauen und auf den Kirchplatz gebracht. Im Spätsommer 1857 wurde mit der
Aufstellung begonnen und Ende Oktober beendet.
Das Denkmal hatte die Form eines überdachten Brunnens. Zwei Säulen aus Kauffunger
Marmor, dem gleichen Rohstoff der auch beim Bau des Schlosses in Potsdam Verwendung
fand, trugen das Dach. Das Dach war mit Kunstschindeln und der First mit Blei
gedeckt. Über der in lateinischer Unzialschrift hergestellten Inschrift war
ein Medaillonrelief mit dem Bilde der Gräfin aus carrarischen Marmor angebracht.
Dieser Marmor stammte aus der italienischen Stadt Carrara in der Nähe von Pisa
und wurde bereits in der römischen Antike für Bildhauerarbeiten verwendet.
Noch schöner war das Halbrund darüber, das sogenannte Tympanon, ein geschmücktes
Giebelfeld. Es trug den Christuskopf mit wunderschönen Augen, deren milder leuchtender
Blick einen überirdischen Ausdruck hat, den man auch bei der sixtinischen Madonna
bewundern kann. Dieses Kunstwerk war in seiner Technik, sowie in seinem Material
eine Seltenheit.
Das Gold im Hintergrund wurde in Platten aufgelegt und darauf befanden sich
blaue Wachsfarbenornamente. Aber letzteres hielt den Witterungsunbilden nicht
stand und musste ca. aller 11 bis 12 Jahre erneuert werden. Im Laufe der Zeit
traten weitere Schäden am Denkmal auf. Heute würden wir sagen es gab bei der
Errichtung Pfusch am Bau. Eine Restaurierung wurde dringend notwendig. In seiner
Not wandte sich der Kirchenrat von Wang, der eigentlich mit dem Denkmal nichts
zu tun hatte, an den Kaiser und bat um Hilfe. Im Frühjahr 1906 erschien der
Staatskonservator Geheimer Regierungsrat H. Lutsch und stellte fest, dass niemand
eine Verpflichtung zum Erhalt des Denkmals hatte. Das Denkmal war einfach herrenlos.
Es war seinerzeit nicht in die Liste der Kunstdenkmäler Schlesiens aufgenommen
worden. Guter Rat war nun teuer. Letztendlich war es dem Vorsitzenden des RGV,
des Geheimen Justizrats Dr. Seydel aus Hirschberg, der als Landtagsabgeordneter
auch sonst hohe Verdienste um das Riesengebirge hatte und dem auch Wang in der
Vergangenheit viel zu verdanken hatte, gelungen entsprechende Mittel im Ministerium
zu erhalten. Mitten in der Bauarbeit stürzte das Denkmal am 17. Juni 1908 in
sich zusammen. Der Schaden war gewaltig. Die Marmorrückwand zerbrach in zwei
Teile, das Relief war am Rand beschädigt, eine Säule zerbrochen, das Tympanon
mit dem Christuskopf in viele Stücke zertrümmert.
Zahlreiche Spenden und das Engagement der Firma Zeidler und Wimmel aus Bunzlau
ermöglichten den Wiederaufbau. Die Erneuerung des Tympanons nahm der bekannte
Kunstmaler Professor Joseph Langer in Breslau vor. Er benutzte nach mittelalterlichen
Vorbild Öl auf Kupfer. Im Juni 1909 war alles vollendet. Das Wasser sprudelte
wieder in das Becken und der Christuskopf, wenn auch dem alten nicht ganz ähnlich,
schaute aus der Brunnenhalle wieder über den Kirchplatz.
Die Reste des alten Kunstwerkes ließ der Gemeindekirchenrat im Hausflur des
Wanger Pfarrhauses in der Wand wieder zusammenfügen. Malermeister Heptner aus
Arnsdorf glückte die Zusammensetzung und Ergänzung des Bildes fast meisterlich.
Für die Nachwelt war damit das ursprüngliche Kunstwerk gerettet.
Schon im Winter 1911/12 zeigte sich, das die Ölmalerei auf Kupfer dem Riesengebirgsklima
nicht gewachsen war. Die Zerstörung war derart, dass eine erneute Restaurierung
erfolgen musste. Ein alter Freund Brückenbergs, der Kunstmaler G. Schmidt erklärte
sich bereit, gemeinsam mit seinem Bruder dem Kirchenmaler Professor Schmidt,
eine Erneuerung auf einer anderen Metalllegierung zu schaffen. Der Provinzialkonservator
verweigerte aus Angst, das nach wenigen Jahren eine erneute Restaurierung erfolgen
müsste, dazu seine Zustimmung.
Er hatte entdeckt, dass in Luxemburg die Firma Mersch das alte Verfahren der
Lavamalerei in verbesserter Form betreibt. Aus Kaolinton und Schlacken wurde
ein Material hergestellt, aus dem Platten bis zu 3 Meter hergestellt werden
können. Im Prinzip ist es eine künstliche Lava, die hier benutzt wird. Darauf
werden verbesserte Emaillefarben eingeschmolzen. Ein Verfahren welches sich
in ganz Europa bewährt hatte.
Die Herstellung wurde sehr teuer. Zur Platte selbst kamen noch erhebliche Transport-,
Zoll- und Versicherungskosten. Insgesamt 1.875 M mussten aufgebracht werden.
Die Summe war zu hoch für die Kirchgemeinde Wang.
Durch Spenden der Freunde von Wang und beteiligten Behörden konnte die Platte
dann doch finanziert werden und über Jahrzehnte konnte das Denkmal in fast alter
Schönheit bewundert werden.
Auf der eingangs erwähnten Mehrbild- Grußkarte ist neben der Kirche und der
Schneekoppe auch das Pfarr- und Schulgebäude von 1844 abgebildet, ein langgestrecktes
Gebäude aus Holz im gleichen Stil, einfach und rustikal, für den Prediger und
Schullehrer gleichermaßen. Der rechte Teil des Gebäudes beherbergte das Pfarramt
mit Pastorenwohnung, die linke Haushälfte war die Schule mit Lehrer- und Kantorenwohnung.
Aus heutiger Sicht war die Schule eine sogenannte "Zwergschule". Die Schülerzahlen
waren sehr bescheiden. Im Jahr 1927, als Brückenberg schon ein recht ansehnlicher
Ort war, wurden acht Schüler, fünf Mädchen und drei Jungen, eingeschult.
Bereits 1905 war das Gebäude baulich verändert. Links und rechts an den Giebelseiten
war das Dach ausgebaut worden.
Noch einmal vor 1945 stand das Denkmal im Blickpunkt. Am 28. Juni 1944 wurde
die 100 Wiederkehr der Einweihung der Kirche gefeiert. Das Ende des fürchterlichen
Krieges warf seine Schatten voraus. Trotzdem waren viele Besucher zur Teilnahme
an der Feier gekommen. Zu den Einheimischen gesellten sich die Evakuierten und
Ausgebombten zu einer Gemeinde. Der so gebildete Festzug sammelte sich am Denkmal
neben dem Schulhaus. Unter Glockengeläut und Gesang setzte er sich dann in Bewegung
und machte vor dem Hauptportal der Kirche halt. Die Kirche war überfüllt, Lautsprecher
mussten den Gottesdienst auf den vollbesetzten Kirchplatz übertragen.
Nach Kriegsende wurden bis zur Ermordung des letzten Pastors auf Wang Ernst
Passauer, durch polnische Plünderer in der Nacht vom 07. bis 08.Juni 1946, evangelische
Gottesdienste abgehalten.
Zoe Droysen, Schriftstellerin und treues Mitglied unserer Heimatgemeinschaft, hat mit dichterischer Kraft und erstaunlichen Erinnerungsvermögen in ihrem Buch
"Wang im Riesengebirge" die Tage danach folgendermaßen geschildert:
"Zuerst haben die Polen in der Kirche recht gehaust: die alte grünseidene Kirchenfahne
wurde gestohlen, ebenso verschwand das kleine Ölbild der alten Kirche von Vang
in Norwegen, das neben dem Eingang hing, und auch das Kruzifix aus der Sakristei.
Die Ehrentafeln für die Gefallenen wurden herausgerissen, die Orgel erbrochen,
jeder konnte auf ihr spielen. Ebenso durfte jeder im Turm die Glocken läuten,
und die Einheimischen mussten zusehen und zuhören, ohne sich irgendwie gegen
den Unfug wehren zu dürfen".
Der alte Christuskopf aus dem Hausflur verschwand auch in dieser Zeit.
Der entstandene Schadenblieb überschaubar. Das Denkmal wurde nicht zerstört,
wie in dieser Nachkriegszeit allgemein üblich, als alle Spuren deutscher Kunst
und Kultur beseitigt wurden.
Die Kirche Wang wurde der evangelischen Kirche Polens übereignet und ein Historiker
aus Thorn übernahm die Betreuung. Ein Glücksfall für die Kirche.
Die Restaurierungsarbeiten mussten auch nach 1945 fortgeführt werden. Das Denkmal
wurde mehrmals restauriert. 1969 erfolgte dann eine sehr umfangreiche Restaurierung,
welche auch die Wasserzufuhr zum Brunnen einschloss. Zwei Jahre später wurde
die Tafel um- oder neugestaltet.
Zu dem deutschen Text kam nun auch eine polnische Übersetzung hinzu, so das
die Inschrift nunmehr zweisprachig zu lesen ist.
1994 erfolgte dann wieder eine vollständige Restaurierung des Denkmals. Verantwortlich
dafür waren Sambor Gawinski und Joanna Duszynska- Gawinska aus Torun, dem früheren
Thorn.
Die Steinelemente aus Marmor und Granit wurden restauriert bzw. ausgebessert
oder ganz ausgetauscht. Die Inschrift war durch Witterungseinflüsse nach 25
Jahren wieder einmal unlesbar geworden und wurde ebenfalls erneuert. Man hatte
ganze Arbeit geleistet, denn 14 Jahre später, bei meinem Besuch im September
2008, war die Inschrift noch wie neu. Das Medaillon der Gräfin von Reden hatte
sich gelockert und musste ebenfalls neu fixiert werden. Auch das Christusgemälde
wurde restauriert, die Malerei und die goldenen Partien wurden gereinigt und
wiederhergestellt.
Das Pfarrhaus hat sich in all den Jahren baulich auch verändert, sehr zum eigenen
Vorteil. Der letzte Umbau erfolgte von 1975 bis 1980. Am 12. Oktober 1980 fand
die Einweihung des Hauses statt, übrigens zeitgleich mit der Einweihung des
von Ryszard Zajac geschnitzten neuen Altars in der Kirche. Zwei Jahre später
erhielt die Außenwand des Pfarrhauses eine Holzverkleidung und auf dem Dach
wurden Kupferbleche angebracht. In unmittelbarer Nähe des Denkmal´s der Gräfin
Reden wurde die Holzschnitzskulptur des "Auferweckten Lazarus" aufgestellt.
Auch das eine Arbeit des Ryszard Zajac, Träger des polnischen Staatspreises
für sakrale Kunst.
Nachdem bereits Jahre vorher der Friedhof von Wang nach alten Vorlagen wieder
hergerichtet wurde, die alten, über Jahre verschwundenen deutschen Grabmäler
wieder ihren angestammten Platz erhielten, erstrahlt die gesamte Anlage, deren
Mittelpunkt natürlich die alte norwegische Stabkirche Kirche bildet, wo aber
auch das Denkmal der Gräfin Reden einen würdigen Platz inne hat, in alten Glanz.
Ein Beispiel dafür, das hier oben in der Höhe die Pracht schlesischer Kultur
nicht erloschen ist.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel von E. Gebhardt, Pastor zu Wang, der
unter dem Titel "Das Denkmal der Gräfin Friederike von Reden auf Buchwald auf
dem Kirchplatz von Wang", in der Zeitschrift "Der Wanderer im Riesengebirge,
Nr.2, vom 01. Februar 1914, erschienen ist.
Ich bedanke mich bei Herrn Pfarrer Edwin Pech von "Parafia Ewangelicko-Augsburska
Wang" für seine hilfreiche Zuarbeit.