Veröffentlicht in der "Schlesischen Bergwacht", April 2009.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher

Krummhübel vor 65 Jahren

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

– Fortsetzung –

Folgende Quartiere waren für die Unterbringung vorgesehen:

      1. Heiliger Stuhl: Schloss und Pension Parkschlösschen Arnsdorf,




      2. Schloss Arnsdorf
        Ausgewählt für das Diplomatische Corps Heiliger Stuhl.

      3. Japan: Schloss Matzdorf, Bachmannbaude, Kurhaus und Kurheim Bad Schwarzbach,
      4. Türkei: Schloss Eichenhof, Schloss Warmbrunn, sowie Haus Boreck und Villa Ruprecht in Warmbrunn,




      5. Schloss Warmbrunn
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Türkei.

      6. Spanien: Haus "Bergfrieden", "Roland" und "Rübezahl", sowie Villa Pintsch in Bad Flinsberg,
      7. Italien: Schloss Schildau, Schloss Wartenberg und Hotel Sanssouci in Brückenberg,
      8. Afghanistan: Hotel "Rübezahl" in Brückenberg,




      9. Hotel "Rübezahl" in Brückenberg
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Afghanistan.

      10. Ungarn: Schloss Pfaffenberg in Steinseiffen und Hotel "Waldschloss", Haus Ermel und Haus "Bergschatz" in Brückenberg,




      11. Hotel "Waldschloss" in Brückenberg
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Ungarn.

      12. Schweden: Haus Tannenrausch, Hubertus und Stirnberg in Brückenberg,




      13. Landhaus am Stirnberg in Brückenberg
        Ausgewählt für das Diplomatische Corps Schweden.

      14. Schweiz: Haus Küster, Bergpracht und Anna Maria in Schreiberhau,
      15. Mandschuko (von Japan errichtetes Kaiserreich in der Mandschurei): Haus am Südhang, "Goldene Aussicht und Haus am Buchenberg in Schreiberhau,
      16. Thailand: Hotel "Schweizerhaus" in Brückenberg,




      17. Hotel "Schweizerhaus" in Brückenberg
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Thailand.

      18. Slowakei: Sternenhaus und Hotel "Bad Brückenberg" in Brückenberg,




      19. Hotel "Bad Brückenberg"
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Slowakei.
      1. Finnland: Villa Eschenberger, Predigersteinbaude und Hainbergshöhe in Seidorf,




      2. Berghotel "Hainbergshöh" in Seidorf
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Finnland.

      3. Portugal: Schloss Hühnlich in Logau,
      4. Dänemark: Hotel Marthashöhe in Hain,
      5. Bulgarien: Villa Erna in Brückenberg und Haus Brandenburg in Krummhübel,




      6. Haus Brandenburg
        Vorgesehen für das Diplomatische Corps Bulgarien.

      7. Rumänien: Haus Birkenhof und Handwerkerheim in Schreiberhau,
      8. Kroatien: Villa Charlotte, Haus Walhalla und Bergidyll in Schreiberhau,
      9. Irland: Schloss Stonsdorf,
      10. China: Villa Kehrtwieder in Brückenberg

Protokollchef Alexander von Dörnberg unternahm daher in Begleitung leitender Mitarbeiter Mitte Januar 1944 eine ausgedehnte Inspektionsfahrt. Die Eindrücke, welche an Gauleiter Karl Hanke nach Breslau telegraphiert wurden, hörten sich so an: "Die Besichtigung der für die diplomatischen Missionen vorgesehenen Objekte im Raum Krummhübel / Schreiberhau hat leider zu keinem restlos befriedigenden Ergebnis geführt. Der Zustand der für diese Zwecke vorgesehenen Hotels und der von der Wehrmacht freigemachten Erholungsheime ist zum Teil derart, dass sie nicht ohne erhebliche Instandsetzungsarbeiten ihrem Verwendungszweck zugeführt werden können. Auch die im hiesigen Raum zur Verfügung stehenden Schlösser und Gutsbesitze können nur zum kleinsten Teil sofort belegt werden".

In einer Aufzeichnung für den Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop vom 23.01.1944 fasste der Protokollchef die Probleme zusammen:
"Vorab muss gesagt werden, dass der gesamte Raum sich für diese Aufgabe denkbar wenig eignet. In den bekanntesten Badeorten wie Krummhübel, Schreiberhau, Flinsberg und Warmbrunn sind die Hotels durchweg drittklassig. In den seltensten Fällen haben auch die besten Hotels mehr als ein Badezimmer, und auch die sonstigen sanitären Anlagen lassen sehr zu wünschen übrig. Aufenthaltsräume für Hotelgäste sind so gut wie nirgends vorhanden. Die Heranziehung der Privatquartiere bereitet gleichfalls größte Schwierigkeiten, zumal sich die in diesem Raum befindlichen Schlösser fast durchweg in einem erbärmlichen Zustand befinden. Nur in ganz wenigen Fällen eignen sie sich für die Unterbringung von Missionschefs".

Eigentlich sollte den Diplomaten noch im Februar 1944 ihre neuen Quartiere gezeigt werden. Diese Fahrt unterblieb aber auf Wunsch des Ministers. Dazu findet sich eine kurze Aktennotiz Dörnbergs über ein Gespräch mit Ribbentrop am 22.03.1944 in Salzburg:
"Ich habe die Angelegenheit einer Besichtigungsfahrt der Missionschefs nochmals mit dem Herrn Reichsaußenminister besprochen. Er möchte, dass die Angelegenheit eines Besuches in Krummhübel noch etwas zurückgestellt wird. Er ist der Ansicht, dass ein Besuch der Missionschefs sofort das Gerücht aufkommen lassen würde, das Auswärtige Amt würde nach Krummhübel verlegt."

Das Diplomatische Korps blieb weitestgehend in Berlin. Erst Mitte Februar, als die Front immer näher an Berlin heranrückte, hat das Korps Berlin fast vollständig verlassen. Das AA ermunterte die Diplomaten inoffiziell abzureisen und weist Ihnen neue Quartiere zu. So wurden z.B. im "Österreichischen Hof" in Salzburg Räume für die irische, portugiesische und spanische Botschaft beschlagnahmt.

Zur einer vollständigen Verlagerung des AA kam es nicht. Einige kriegswichtigen Referate verblieben in Berlin. Die in Krummhübel tätigen Beamten des AA wurden im Januar 1945 nach Mühlhausen / Thüringen verlagert und erlebten dort das Ende des Krieges.

Einige Beamte verblieben, aus welchen Gründen auch immer, bis zur Kapitulation, manche noch länger, in Krummhübel.

Das misslungene Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hinterließ auch in Krummhübel Spuren. Erich Franz Sommer, Autor des Buches "Geboren in Moskau", damals in der Abteilung Protokoll des AA, berichtete in seinem Buch darüber:
In der Pension "Waldidyll", rechts der Straße zwischen "Dreyhaupts-Hotel" und "Teichmannbaude" gelegen, waren Familienmitglieder höherer Beamter des AA untergebracht. Die Leitung und Versorgung der Pension war einer jüngeren Sudetendeutschen, Amtsträgerin der NS-Frauenschaft, anvertraut. Statt eines Tischgebets wurden bei jeder Abendmahlzeit pathetische Durchhalteparolen verkündet. Als man sich an jenem 20. Juli zu Tisch begeben wollte, kam 18.45 Uhr die Sondermeldung über das gescheiterte Attentat aus dem Führerhauptquartier. In der eingetretenen Totenstille war plötzlich ein jäher Aufschrei zu hören: "Das kann doch nicht wahr sein. Der Kerl muss doch tot sein". Ruferin war Frau von Haeftens, die Mutter von Hans Bernd von Haeften, dem Leiter der Kultur-Politischen Abteilung im AA. Die Leiterin der Pension verständigte sofort die Ortspolizei und den Parteiobmann von Krummhübel. Bis zum Eintreffen der Obrigkeit gelang es Frau von Haeften sich noch in ihrem Zimmer einzuschließen und Papiere zu verbrennen. Bei ihrer Festnahme fand man nur noch Aschenreste und eine Flasche Benzin vor. Der Parteiobmann (gemeint ist Bürgermeister Gaitsch) ereiferte sich lautstark über das verräterische Gesindel, zu dem auch, dabei zeigte er auf die Verhaftete, selbst die Schwester Generalfeldmarschalls von Brauchitsch gehörte. Man brachte sie nach Hirschberg und von da nach Berlin. Dort fand man noch belastendes Material, welches die Mitschuld ihres Sohnes Hans Bernd bewies. Er wurde genau wie sein Bruder Werner, welcher Adjutant bei Graf von Stauffenberg war, erschossen. Über das weitere Schicksal von Frau von Haeften konnte ich nichts erfahren.

Ein weiteres Opfer des misslungenen Attentats auf Hitler war Graf von der Schulenburg. Er residierte in Ober-Krummhübel in der Villa Hentschel und war wohl der bekannteste Vertreter des AA in Krummhübel. Als ehemaliger Botschafter in der Sowjetunion, von 1934 bis 1941, trat er für eine Verständigung zwischen Deutschland und der Sowjetunion ein. Er war maßgeblich am Zustandekommen des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt vom August 1939 beteiligt. Bis zuletzt versuchte er den Überfall auf die Sowjetunion zu verhindern. Er warnte, Russland sei militärisch stark und seine Industriereserven praktisch unangreifbar. Im Sommer 1943 suchte Carl Friedrich Goerdeler, ein Kopf des deutschen Widerstandes, Kontakt mit von der Schulenburg. Die beiden diskutierten über Möglichkeiten eines Sonderfriedens mit der Sowjetunion. Die Verschwörer sahen ihn zeitweise als den deutschen Außenminister nach dem Staatsstreich. Er wurde am 23. Oktober 1944 zum Tode verurteilt und am 10. November 1944 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee erhängt. Sein Grab ist heute Teil einer Gedenkstätte für die Beteiligten des Attentates vom 20. Juni 1944 auf dem Hauptfriedhof in Braunschweig.

Der Autor E. F. Sommer berichtet auch über die Geburtstagsfeier seiner Mutter, welche am 01. November 1944 im AOK-Erholungsheim "Haus Lichtenberg" stattfand. Da er eine Sonderzuteilung von markenfreien Reis, ungarischen Hühnerkonserven, Wein und Schnaps erhalten hatte, lud er alle seine Kollegen und Mitarbeiter ein. Als Höhepunkt der Feier und zur Überraschung der Gäste, trat ein Kosakenchor aus deren Erholungsheim in Arnsdorf auf. Zur Weihnachtsmette und am Silvesterabend pilgerten viele Beamte, gemeinsam mit Einheimischen und Evakuierten, zu der tief verschneiten Kirche Wang. Die Kirche war völlig überfüllt und konnte die vielen Menschen nicht fassen. "Frieden" war der einzige Wunsch der im Hause Lichtenberg beim Jahreswechsel 1945 ausgesprochen wurde.

Am Ende seines Buches berichtet er über seine Festnahme durch einen Smersch-Offizier (Smersch: russ. "Tod den Spionen", war der militärische Nachrichtendienst der Sowjetunion). Die Festnahme erfolgte am 01. Juni 1945 in dem bereits erwähnten "Haus Lichtenberg" in Krummhübel. Offiziell deklarierte Major Ryschow die Festnahme als "Einladung" des kommandierenden Generals zu einem Informationsgespräch nach Gottesberg / Waldenburg.

Die Autofahrt fand eine Unterbrechung bereits in der Ortsmitte. Major Ryschow ließ am "Goldenen Frieden", dem "ersten Haus am Platz" halten. Dienstbeflissene befrackte Kellner empfingen sie und begleiteten sie zum Terrassenrestaurant. Ryschow empörte sich. "Diese kapitalistischen Kreaturen müssen verschwinden. In Kürze werden die Polen den Betrieb übernehmen, dann wird dieser Unfug aufhören". Schon wenige Wochen später, vielleicht waren es auch nur Tage, sollte diese Aussage Wirklichkeit werden. Eine Speisekarte gab es nicht. Ryschow ordnete Omelette, Wurst oder was man sonst auftreiben könnte, an. Den angebotenen Rheinwein spuckte er im hohen Bogen wieder aus. "Dies saure Zeug kann nur ein deutscher Magen vertragen". In Ermanglung von Wodka verlangte er Schnaps. Die schnell herbeigeholte Flasche Cognac trank er sofort in gierigen Zügen leer.

Die anschließende Fahrt endete nicht wie angegeben in Gottesberg beim kommandierenden General, sondern in Waldenburg in einer Arrestzelle. Nach einigen Verhören erfolgte alsbald der Flug nach Moskau und endete, wie meist üblich in dieser Zeit, mit oder ohne Geständnis, bei ihm für zehn Jahre im, Gulag.

Für die angestammte und durch die Kriegswirren "zugezogene" Bevölkerung ging es danach auch auf unfreiwillige "große Fahrt", nicht mit dem Pkw oder Flugzeug in Richtung Osten, wie bei E. F. Sommer, sondern im Viehtransport in Richtung Westen. Sie ging auch nicht in ein Straflager oder wie bei Millionen Menschen in ein Vernichtungslager, aber sie ging in eine ungewisse und wie sich herausstellte, entbehrungsreiche Zukunft.

< Home >

© Copyright 2009, www.krummhuebel.de.vu / www.riesengebirgler.de