Veröffentlicht in der "Schlesischen
Bergwacht", Juli 2010.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher
von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Der 26. Juli 1910, Tag der Hl. Anna,
war ein Festtag für die Gemeinde Krummhübel. Grund war die Einweihung der katholischen
Kirche. Nachdem bereits vor zwei Jahren die aufstrebende Sommerfrische Krummhübel
eine evangelische Kirche erhalten hatte, erfüllte sich nun der Wunsch zahlreicher
katholischer Gläubiger nach einem eigenen Gotteshaus.
Bereits am 28. März 1908 begannen die Planungen für dieses Vorhaben. An diesem
Tag beauftragte der Fürstbischof Dr. Kopp aus Breslau das katholische Pfarramt
in Arnsdorf, welches für die katholische Gemeinde in Krummhübel zuständig war,
mit der Gründung einer Kapellengemeinde mit eigener Vermögensverwaltung. (Eine
Kapellengemeinde bezeichnet in der kirchlichen Organisation eine Körperschaft,
die über ein eigenes Gottesdienstgebäude verfügt, aber keine eigene Pfarrstelle
besitzt und einer Kirchengemeinde bzw. Pfarrei untersteht.)
Katholische Gottesdienste wurden bisher in der katholischen Schule, gegenüber
der heutigen Kirche, gefeiert. Zuständiger Geistlicher in diesen Jahren war
Pfarrer Hitschfeld aus Arnsdorf.
Das Vorhaben wurde im Laufe des Sommers 1908 abgeschlossen.
Pfarrer Hitschfeld oblag es nun Spenden für das neue Gotteshaus zu sammeln,
obwohl man bereits 1904 Postkarten mit Entwürfen einer zukünftigen Kirche herausgegeben
hat, deren Verkauf der Finanzierung derselben dienen sollte.
Mit dem Entwurf und der Bauleitung wurde der Breslauer Architekt Ludwig Schneider
beauftragt. Die Bauausführung übernahm der Meister Max Steiner aus Schmiedeberg.
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Am 01. Juli 1909 erfolgte die Einweihung
des Grundsteins durch den Erzpriester Forche aus Hirschberg. Zum Grundstein
gibt es eine Geschichte, welche Heimatforscher Dr. Hans Reitzig uns hinterlassen
hat: "Seltsam klingt die Geschichte des Grundsteins. Als im Jahre 1877
der von Wilderen ermordete Förster Frey aus Wolfshau (Theodor Fontane berichtete
in seinem Roman "Quitt" darüber) auf dem Arnsdorfer katholischen Friedhof
zur letzten Ruhe gebettet wurde, versenkten Wolfshauer Waldarbeiter einen etwas
zehn Zentner schweren Granitblock ins Grab. Man sagte es handele sich um das
Fundament zu einem Denkstein. Der Volkskundler wird hier freilich mehr an eine
gegen spukhaftes Erscheinen eines Ermordeten gerichtete Maßnahme denken. Der
schwere Stein sollte das verhindern helfen….
Wie auch immer. Als der am 12. Dezember 1904 verstorbene, um Krummhübel
hochverdiente Kantor Bruno Eberhardt in dasselbe, nunmehr aufgelassene Grab
gebettet werden sollte, entfernte man den gewaltigen Steinbrocken und bestimmte
ihn als Grundstein für eine später einmal zu errichtende katholische Kirche
in Krummhübel…".
Zwei Monate später berichtete der „Bote aus dem Riesengebirge“ über das weitere
Baugeschehen:
"Am Sonnabend wurde das Turmgerüst der kath. Kapelle vollendet und am Nachmittag
konnte das Richtfest stattfinden. Zimmerpolier Kunze hielt nach dem Gesange
"Nun danket alle Gott", die Hebefestrede. Die Festteilnehmer versammelten
sich danach im Gerichtskretscham zum Hebefestschmause".
Wenige Tage später dann:
"Der Neubau der Kath. Kirche schreitet voran. Das Dachgesperr ist bereits
aufgesetzt. Im Oktober dürfte dann, wenn das gute Wetter anhält, der Bau unter
Dach sein".
Am 16. Juni 1910, Vormittag um ½ 10 Uhr fand die Glockenweihe der Kirche
in einer schlichten Feier durch Pfarrer Hitschfeld statt. Nachdem die Glocken
geweiht und das Weihelied gesungen war, wurden die drei mit Grün geschmückten
Glocken im Turme eingesetzt. Die kleinste Glocke durfte zur großen Freude von
der katholischen Schuljugend in die Höhe gezogen werden. Die Glocken wurden
von der Firma Albert Geitner aus Breslau gefertigt und bestehen aus Bronze (
80% Kupfer, 20% Zinn). Die Glocken haben ein Gewicht von 14, 6 und 4 Zentnern
und kosteten insgesamt 4.230 Mark. Der Glockenstuhl ist aus Schmiedeeisen. Zahlreiche
Zuschauer hatten sich zur Glockenweihe eingefunden. Leider wurde die Feier durch
ein aufkommendes Gewitter etwas beeinträchtigt. Nachmittags gegen ¼ 4
Uhr wurden die Glocken trotz des Gewitters zum ersten Mal geläutet. Die Tonart
der Glocken ist fis, be, eis. Das herrliche Geläut der Glocken, welches weit
in den Bergen widerhallte, entzückte die Zuschauer und wurde auf allgemeinen
Wunsch um 5 Uhr wiederholt.
Über die Feier der Einweihung berichtet dann der "Bote" in seiner
Ausgabe vom 27. Juli 1910:
"Die Einweihung der katholischen Kirche fand, vom schönsten Wetter begünstigt,
gestern Vormittag statt. Das einleitende Festgeläut von den Türmen beider Kirchen
hatte eine große Anzahl Menschen herbeigerufen.
Der Ort hatte Flaggenschmuck angelegt und Ehrenpforten begrüßten die ankommenden
Gäste. Im Festzug sah man die Schulkinder, die katholische und evangelische
Geistlichkeit und die geladenen Festgäste. Durch Erzpriester Forche aus Hirschberg
wurde vor dem Haupteingang der Kirche die Weihe der Mauern vollzogen. Ein Schulmädchen
sprach ein Festgedicht und überreichte dem Ortsgeistlichen Pfarrer Hitschfeld
aus Arnsdorf den Schlüssel zur Öffnung des Gotteshauses. Nachdem sich das schmucke
Kirchlein ganz gefüllt hatte, vollzog der Erzpriester die innere Weihe des Gotteshauses.
In seiner Ansprache verlieh er dem Kirchlein den Namen "Mariä Heimsuchung"
und bekundete allen Dank, die den Bau gefördert haben. Das Hochamt, zelebriert
vom Erzpriester Forche und unter Begleitung einer Kindermesse wurde eingeleitet
durch einen Männerchor unter Leitung des Lehrers Micke.
Nach dem Granduale gelangte zum Vortrage als Offertorium "Ave verum corpus"
von Mozart, gesungen von Frau Moezner und Hans Micke. Im Schlusswort mit darauffolgenden Te
deum wies Pfarrer Hitschfeld darauf hin, dass angesichts der Bauschuld von 10.000
Mark jederzeit wohltätige Spenden angenommen würden. In Ermanglung einer Orgel
diente zur Begleitung der Gesänge ein Harmonium. Die Kollekte hatte einen guten
Erfolg."
Die Kirche ist im Bauernbarock nach Entwurf und unter Bauleitung des Architekten
Schneider aus Breslau ausgeführt und von gärtnerischen Anlagen umgeben. Die
äußere Länge der Kirche ohne Vorhalle beträgt 21,80 Meter, die Breite ohne Gang
im Schiff 10 Meter, die Turmhöhe bis zur Spitze etwa 30 Meter. Das Kirchenschiff
hat eine gute Akustik und enthält 200 Sitzplätze. Unter dem Altarraume befindet
sich eine Krypta, deren Altareinrichtung ein Geschenk von Frau Hüttendirektor
May in der Villa "Idyll" in Querseiffen ist. Neben der Krypta ist
noch ein Raum für eine spätere Zentralheizungsanlage vorgesehen. Der Abendmahlskelch
ist ein Geschenk des Professors Dr. Erkelenz, dem damals sehr bekannten Arzt
aus Breslau. Ihm verdankt die Kirche auch das bereits erwähnte Harmonium.
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Das Andenken an ihre Spender hielten die von ihnen gespendeten kunstvollen Buntfenster
fest. Sie stellen mit Bezug auf die Spender jeweils deren Namensheilige dar.
Die Bilder des Hl. Bernhard von Clairvaux und des Hl. Benno erinnern an Vorfahren
des Grafen Matuschka und mit der Hl. Bronislawa an seine Mutter Gräfin von Strachnitz.
Der Herz- Jesu- Altar, links vor dem Hauptaltar stammt von Professor dellAntonio,
dem damaligen Leiter der Holzschnitzschule von Bad Warmbrunn. Der spätbarocke
Altar zeigt eine Meisterkopie des bekannten Gemäldes "Heimsuchung Mariä"
von Eduard von Steinle. Zwischen den biblischen Figuren der Maria und der Elisabeth
hat der Maler heimische Ansichten, nämlich die Schneekoppe mit dem Riesenkamm
und davor Krummhübel mit der alten Schule und der neuen katholischen Kirche,
verewigt.
Durch den Landrat wurden vor Beginn der Feier im Schullokal die vom Kaiser verliehenen
Ordensverleihungen verkündet. Es erhielten den Roten Adlerorden 4. Klasse Pfarrer
Hitschfeld, das Allgemeine Ehrenzeichen Logierhausbesitzer Albert Krause (Villa
Edelweiß, später Rentnerheim) und Zimmerpolier Kunze. An die kirchliche Feier
schloss sich im Hotel "Goldener Frieden" ein Festessen an, an welchen
sich etwa 100 Personen beteiligten. Graf Matuschka brachte das Kaiserhoch aus,
Erzpriester Forche toastete auf den Papst, Pfarrer Hitschfeld auf Kardinal Dr.
Kopp, sowie auf das Gräflich Matuschkasche Haus und auf den Erzpriester Forche,
Prof. Dr. Erkelenz auf Pfarrer Hitschfeld. Logierhausbesitzer A. Krause dankte
diesem für seine Mühen um den Kirchenbau, sowie allen Wohltätern für ihre Spenden.
Gegen 4 Uhr gingen die Festteilnehmer auseinander.
Am 03. August, Sonntag früh, läutete zum ersten Mal die große Glocke zur stillen
Messe, nachdem die Kirche durch die Weihe seiner Bestimmung übergeben
wurde. Die Messe wurde vom katholischen Geistlichen der Sommerfrische gelesen.
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Der schlimmste Eingriff geschah nach 1945 als die angestammte deutsche Gemeinde
vertrieben wurde und die Kirche von der neuen polnischen katholischen Gemeinde
übernommen wurde.
Im Dezember 1910, dem Jahr der Einweihung der Kirche, gab es in Krummhübel 1.024
Einwohner, davon waren 815 evangelischen und 207 katholischen Glaubens. Die
Kirche genügte allen religiösen Anforderungen, auch wenn man berücksichtigt,
dass in der Saison noch zahlreiche Gäste zusätzlich den Gottesdienst besuchten.
Für den großen Zustrom der polnischen Neusiedler, sämtlich katholisch, reichte
die relativ kleine Kirche nicht mehr aus. Die Kirche wurde vergrößert. Das Gesamtbild
wurde gravierend verändert, der ursprüngliche Bauernbarock ging verloren.
2007 gab es erneut umfangreiche Sanierungsarbeiten. In der Kugel auf der Turmspitze
fand man drei in deutscher Sprache abgefasste, handgeschriebene Urkunden vom
28.10.1909. In dem Text der Urkunden wurden die Bemühungen um die Errichtung
der Kirche und der Bau selbst geschildert, aber auch die Namen der Personen
genannt, die sich um den Bau verdient gemacht hatten. Diese alten Urkunden,
ergänzt mit neuen, nunmehr polnischen Schriftstücken, wurden erneut in die Kugel
eingebracht. Die Schriftstücke waren eine Beschreibung der Gemeinde und der
Stadt Karpacz mit dem Stadtplan und zuzüglich der Botschaft "Aid maiorem
Dei gloriam", in der u.a. folgende Worte zu lesen sind:
"Wir danken der Göttlichen Vorsehung dafür, dass wir um die Wende des 20.
und 21. Jahrhunderts uns um diese Pfarrkirche St. Mariä kümmern konnten, die
wir von den früheren Generationen übernommen haben. Wir möchten dieses Gotteshaus
der nachfolgenden Generationen als Bekenntnis unseres Glaubens und unserer Sorge
für dieses Kulturerbe und für das gemeinsame Gut des Geistes hinterlassen.
Erneut wiederholen wir den Wunsch, den wir selber geerbt haben: Möge Gottes
reichster Segen auf diese Kirche und auf diejenigen ruhen, die in Zukunft diese
Kirche in Frömmigkeit besuchen."
Es war wohl weniger die "Göttliche Vorsehung" als vielmehr irdische
Kräfte in Form verbrecherischer deutscher Kriegstreiber und deren alliierte
Besieger, die das Schicksal, nicht nur dieser Kirche, sondern eines ganzen Landes
bestimmten.
Man gedenkt der früheren Generation, die einmal deutsch war, auch wenn das keine
ausdrückliche Erwähnung wert ist.
Im Gegensatz zu vor zwei Jahren, als die ehemals evangelische Kirche von Krummhübel
ihr 100jähriges Jubiläum feierte, wurden die Nachfahren dieser Generationen,
die immerhin die Spender und Erbauer der Kirche waren, nicht eingeladen. Sie
dürfen aber mit Gottes reichsten Segen rechnen, soweit sie noch in der Lage
sind im hohen Alter diese Kirche, die Kirche ihrer Vorfahren, zu besuchen.