Veröffentlicht in der "Schlesischen
Bergwacht", April 2008.
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher
von Karl-Heinz Drescher, Leipzig
Nur ein Jahr dauerte der Bau..., so
lautete die Überschrift eines Aufsatzes des Krummhübeler Heimatforscher Hans
Reitzig, den er aus Anlass des 50 jährigen Bestehens der Krummhübler evangelischen
Kirche schrieb und der im Oktober 1958 im "s´ Heemte-glöckla"
veröffentlicht wurde.
Am 13. September 1958, dem Tag der Schlüsselübergabe durch den Königlichen Baurat
Grosser an den General-Superintendenten Haupt und weiter an Pastor Günther aus
Arnsdorf vor 50 Jahren, gab es keine Jubelfeier, auch keinen Festgottesdienst,
wie sonst an solchen Tagen üblich. Wie hätte das auch geschehen sollen. Die
angestammte deutsche Gemeinde war, wenn auch nicht in alle Winde verweht, so
doch zerstreut, im damals geteilten Deutschland, untergekommen. Das Gotteshaus
selbst war von den polnischen katholischen Glaubensbrüdern "übernommen"
worden und Wörter wie "Luther" oder "Protestant" waren im
Sprachgebot des Nachkriegs-Polen unerwünscht und daher sehr selten.
Die evangelische Kirche Krummhübel
im Jahre 1908
|
Es war die Zeit des Kalten Krieges und ein Miteinander gab es kaum. In Polen
herrschte der Kommunismus und noch galt die Devise alles "Deutsche"
auf ewige Zeiten zu verbannen.
Heute, im Jahr 2008, nach weiteren 50 Jahren und 18 Jahren nach der politischen
Wende ist der Versöhnungsprozess vorangeschritten.
Die Evangelische-Augsburgische Kirche in Polen, Mitglied im Lutherischen Weltbund,
hat die Kirche Wang nach 1945 im damaligen Bierutowice, heute Karpacz, übernommen
und schon frühzeitig das Miteinander der Völker praktiziert. Nach der politischen
Wende waren auch deutschsprachige Gottesdienste fest eingeplant.
Daher verwundert es nicht, dass unser "Heemtevoater" (sozusagen Bürgermeister
in der Fremde) eine offizielle Einladung zu den Feierlichkeiten zum einhundertsten
Jahrestag der Erbauung der evangelischen Kirche erhalten hat.
Frau Giuliani, Chefredakteurin unserer Heimatzeitschrift, berichtete bereits
in der März-Ausgabe der "Schlesischen
Bergwacht" auf Seite 140 über das Jubiläum und unterbreitete auch
konstruktive Vorschläge über eine Teilnahme der ehemaligen deutschen Gemeindemitglieder.
Hans Reitzig ist in dem anfangs erwähnten Beitrag sehr ausführlich auf die Notwendigkeiten
die zum Bau der Kirche führten, sowie auf das Baugeschehen selbst, eingegangen.
Der Beitrag wurde später von der Ortschronisten Josefa Bartsch in der Chronik
von Krummhübel veröffentlicht.
Für Außenstehende und interessierte Heimatfreunde, die nicht im Besitz der Chronik
sind, daher noch einiges Wissenswertes aus der Feder von Reitzig über die Geschichte
der Kirche.
Die Bewohner von Krummhübel, Wolfshau und Querseifen hatten es früher nicht
leicht, ihren kirchlichen Verpflichtungen und Bedürfnissen nachzukommen. Sie
gehörten zum Arnsdorfer Kirchspiel und die Wege nach dort waren weit. Der zunehmende
Fremdenverkehr wirkte sich auch negativ auf den Kirchgang aus. Besonders an
den Sonntagen konnten die Gaststätten- und Logierhausbesitzer ihre Gäste nicht
allein lassen.
Der Wunsch nach einer eigenen Kirche wurde immer größer, merkwürdigerweise aber
mehr von alten Stammgästen, als von den Einwohnern selbst. So war es kein Zufall,
das auf den Spendenlisten neben bekannten Logierhausbesitzern aus Krummhübel,
sehr viele Auswärtige aus Berlin und Breslau standen. Folgerichtig wurde daher,
der damals bekannte Breslauer Bankier Gotthard von Wallenberg-Pachaly, erster
Schatzmeister. Neben dem letztgenannten wirkten im 1900 gegründeten "Evangelischen
Kirchenbauverein" mit Pastor Günther als Vorsitzenden, noch Hotelbesitzer
Rummler, damals Ortsvorsteher, mit. Im nächsten Jahr kam noch der General-Superintendent
Nehmez aus Breslau, ein langjähriger Feriengast, als Ehrenmitglied hinzu.
Durch die Unterstützung der Provinzkirche, durch Sammlungen und Kirchenkonzerte
kamen bald 15.300,00 Mark zusammen. Der von Baurat Grosser vorgelegte Entwurf
war jedoch mit 38.000,00 Mark veranschlagt. Nun war guter Rat teuer. Grosser,
der aus Schmiedeberg stammte und dessen Vater die berühmte Kirche Wang in Brückenberg
errichtete und als Besitzer des Alexandrinenbades auch Bürger von Krummhübel
war, kam bald auf die Idee eigene Entwürfe als Federzeichnungen zu verkaufen
und den Erlös der Kirche zu spenden. Die drei verschiedenen Spendenkarten zeigten
eine Kirche im romanischen Stil. Das später aus den romanischen Entwürfen eine
gotische Kirche wurde, hing mit Kaiser Wilhelm II. zusammen, der sich aktiv
in die Bauplanung einschaltete. Ob es sich bei der abgebildeten Post-Karte,
gezeichnet von Prof. Probst aus Hirschberg, welche die Kirche nach Fertigstellung
mit dem Haus Nr. 51 von Fleischer Just zeigt, um eine spätere Spendenkarte handelte
ist nicht belegt. Geschwärzt wurde der Zusatz "Architekt Baurat Grosser",
warum auch immer?
Evangelische Kirche zu Krummhübel, nach der Natur gezeichnet von Prof. Probst, Breslau. |
Spenden-Postkarte für den Bau der evangelischen Kirche |
Eine echte Spendenkarte ist vom Entwurf der evangelischen Kirche in meinem Besitz.
Sie unterscheidet sich deutlich von der zwei Jahre später fertig gestellten
Kirche im schlichten Bauernbarock.
Noch einmal zurück zum kaiserlichen "Eingriff". Hans Reitzig, aber
auch Freiherr von Rotenhan aus Buchwald, der ebenfalls Mitglied im Kirchenbaurat
war, haben im "s´ Heemte-glöckla" sehr ausführlich darüber berichtet.
Die Wünsche des Kaisers, besonders seine Turmänderung, bei der der Entwurf von
Ernst von Ihne zum Posener Schloss unverkennbar Pate gestanden hatte, wurden
letztendlich nach langen hin und her berücksichtigt. Nicht zuletzt deshalb,
weil der Kaiser für einen Teil der erheblichen Mehrkosten aus seiner Privatschatulle
aufkam und dadurch angeregt weitere "hochgestellte" Persönlichkeiten
spendeten. Schatzmeister von Wallenberg hatte auch noch einmal tief in die Tasche
gegriffen und Dr. Kaselowsky, dem damals der Pfaffenberg gehörte, spendete 2.625,00
Mark für die Glocken.
Unter Anteilnahme des ganzen Dorfes, samt seiner Gäste, fand am 04. August 1907
die Grundsteinlegung statt. Bei Hans Reitzig lesen wir: "Feuerwehr und
Ortsvereine umsäumten das Kirchengrundstück, als Schulkinder und Ehrengäste
in feierlichem Zuge eintrafen, von General-Superintendent Haupt angeführt. Pastor
Günther, unermüdlicher Streiter für das Werk seit Anbeginn, hatte seinen großen
Tag, auch Ortsvorsteher Heinrich Rummler, als er Urkunde und Kaisergruß verlesen
und auch den ersten Hammerschlag führen durfte".
Was in den nächsten Monaten passierte übertraf alle Erwartungen und kann uns
auch heute noch mit Stolz erfüllen. Zur Jahresfrist war die Kirche im Rohbau
fertig gestellt. Die Doppeluhr, ein Geschenk der Erbprinzessin v. Sachsen-Meiningen,
Schutzpatronin vom Charlottenheim, war Ausdruck neuartiger Uhrmacherkunst und
mit dem Meiningschen Wappen verziert.
Das einfache Außenwerk verbirgt ein kunstvolles Inneres. Ein Kleinod der Holzschnitzkunst
und der Malerei. Damals sprach man von "schlichter Vornehmheit".
Auf der abgebildeten Postkarte, herausgegeben von der Evangelischen Frauenhilfe
in Krummhübel, die das Innere der Kirche zeigt, erkennen wir Altar und Taufstein.
Schüler der Warmbrunner Holzschnitzschule haben beides erschaffen. Leider ist
der Taufstein, an dem ich am 18. September 1938, fast auf den Tag genau, 30
Jahre nach der Einweihung, getauft wurde, seit Jahren verschwunden. Meine Geburtsurkunde
trägt den Stempel der Arnsdorfer Kirche und ist von Superintendent Schloßbauer
unterzeichnet.
Das innere der evangelischen Kirche zu
Krummhübel
|
Die Kanzel zeigt Szenen aus dem Leben Christi nach Vorbildern von Fritz von
Uhde, einem der bekanntesten Münchner Maler. Entwurf und Werk stammen vom späteren
Professor und Leiter der Holzschnitzschule Bad Warmbrunn, dell Antonio.
Die Ausmalung der Decke und die Gestaltung der Buntfenster übernahm, der damals
sehr bekannte Kirchenmaler Professor Oetken aus Charlottenburg. Die originelle
Decke wurde von ihm in genau 100 Felder aufgeteilt, wobei Jedes Feld ein anderes
Distelmotiv erhielt. Die Buntfenster der Liebfrauenkirche in Liegnitz sind übrigens
auch sein Werk.
Reitzig schließt mit den Zeilen: "Gut beraten, hatten sich die Krummhübeler
angestrengt. Bürgersinn und Opferfreudigkeit war ein Denkmal gesetzt worden,
das Festpredigt, eine Vielzahl von Reden und schließlich auch die Presse rühmend
anerkannten. Sogar eine Berliner Zeitung nahm Notiz von der > kleinen Kirche
mit ihren wuchtigen, gedrungenen Formen, die sich vortrefflich in den Rahmen
der sie umgebenden Bergwelt einfügt ....<".
Schlimme Zeiten und Eingriffe hat sich unsere Kirche in den wenigen Jahren bis
1945 gefallen lassen müssen. 1918 und 1943 durchbrach man das Fachwerk des Turmstuhls,
um Glocken zur Einschmelzung herunterzuholen. Der schlimmste Eingriff geschah
nach 1945 als die angestammte deutsche Gemeinde vertrieben wurde und die Kirche
von der neuen polnischen, nun katholischen Gemeinde übernommen wurde. Als die
ersten Gemeindemitglieder im Mai 1946 aus der Heimat getrieben wurden, läutete
zum Abschied nur noch die kleinste Glocke, man hatte sie auch schon im ersten
Weltkrieg geschont. Bei den nächsten Transporten war sie dann zum Schweigen
verurteilt.
Kurpark, ev. Kirche, alte und neue Schule