Veröffentlicht in der "Schlesischen Bergwacht"
Eingereicht von Herrn Karl-Heinz Drescher

Die „Secundärbahn“ Hirschberg-Schmiedeberg

von Karl-Heinz Drescher, Leipzig

– Fortsetzung –

Am nächsten Tag, dem 16. Mai, hatte Schmiedeberg einen großen Tag. Zahlreiche Menschen hatten sich eingefunden, um die eintreffenden und abgehenden Züge zu bewundern. Der neue Pächter der Bahnhofsrestauration, Hotelbesitzer Mohaupt, hatte mit zwei Kellnern alle Hände voll zu tun. Passagiere wurden noch nicht befördert. Es war ein glücklicher Tag in der Geschichte von Schmiedeberg.

Endlich, am 18. Mai, es war Pfingstsonntag war es soweit mit der ersten Fahrt. Bei herrlichem Wetter nutzte eine große Anzahl von Personen die Bahn zu einem Ausflug in die Umgebung. Mancher Zug konnte die Mitreisenden nicht fassen. Es mussten Zusatzwagen angehängt werden.

Der Park von Erdmannsdorf und von Buchwald, die Umgebung von Schmiedeberg bis hinauf zur Buche und bis hinüber nach Arnsdorf und Krummhübel waren das Ziel der Ausflügler. In Schmiedeberg standen wieder hunderte von Landleuten mit ihren Kindern um das neue Bahnerlebnis zu genießen. Viele Ausflügler waren zu Fuß bis nach Erdmannsdorf gegangen und benutzten von dort den Zug nach Schmiedeberg, um sagen zu können: "Wir haben auch einmal die Bahn benutzt".

Auch die Görlitzer können jetzt sehr günstig Ausflüge ins Gebirge unternehmen.
Auf dem Bahnhof in Breslau wurde ein riesiges Riesengebirgspanorama ausgehängt, um auf die Schönheit des Gebirges und auf die günstigen Verbindungen aufmerksam zu machen.

Auch die Post erfuhr durch die Eröffnung der Bahnstrecke grundlegende Veränderungen. Erfolgt die Postzustellung der Orte Schmiedeberg, Mittel-Zillerthal und Lomnitz bisher durch Personenfuhrwerke, so übernahm jetzt die Eisenbahn diese Aufgabe. Die Bahn führte Bahnpostwagen mit Postschaffnerbegleitung. Das Postamt Arnsdorf erhielt durch Botenposten Verbindung mit Mittel-Zillerthal. Die Beförderung betrug 50 Minuten.
Die Postagentur in Krummhübel und später auch die auf der Schneekoppe mussten ihre Verbindung mit Schmiedeberg aufrecht erhalten. Die Beförderung erfolgte vom Hotel "Zum Goldenen Stern" nach Krummhübel durch Fuhrwerke. Die Beförderungszeit beträgt 1. Std. 40 Min.



Hotel "Zum Goldenen Stern"

Am 21. Mai 1882 hatte Schmiedeberg, anlässlich der Eröffnung der neuen Eisenbahnstrecke, dann sein großes Fest.
Die Stadt hatte ein Festgewandt angelegt. Vielfach waren Girlanden mit Aufschriften angebracht. Im Vorfeld, am Sonnabend, fand bereits ein Konzert von Herrn Musikdirektor Grau im Garten vom "Preußischen Hofe" statt. Auch am Festtag, Vormittags, gab es ein Konzert. Das eigentliche Fest begann jedoch erst am Nachmittag. Gegen ½ 2 zog mit ihrer eigenen Kapelle die preußische und österreichische Belegschaft der Grube "Bergfreiheit" mit ihrer Fahne in den kleidsamen Bergwerksuniformen vor dem Rathaus auf, wo sich auch die anderen Vereine versammelt hatten. Von hier aus erfolgte dann um ½ 3 der Abmarsch zum Bahnhof. Der Festzug wurde eröffnet von der Hirschberger Stadtkapelle, dann folgten die Turner, die Feuerwehr, die Schützengilde, der Magistrat mit den Stadtverordneten, Militär-Begräbnisverein und zuletzt die Beamten und Belegschaft der "Bergfreiheitgrube".



Bergwerk Ober-Schmiedeberg

Am Bahnhof wurden die zur Feier mit dem Zug ankommenden Ehrengäste vom Magistrat begrüßt. Bürgermeister Höhne sprach herzliche Worte. Der Zug begab sich dann in die Stadt zurück, wo in den verschiedenen Lokalen das Fest seinen Fortgang nahm. Um 4 Uhr fand im Saale vom "Preußischen Hof" für die Ehrengäste ein Dinner statt, an dem ca. 60 Personen teilnahmen. Seine Durchlaucht Prinz Reuß eröffnete die Reihe der Toaste und berichtete in kurzen Worten, wie der Bahnbau zu Stande gekommen war.
Sein Hoch galt dem Kaiser, ohne den kein Gesetz zu Stande kommen konnte.
Begeistert stimmten die Anwesenden in das "Hoch" ein, während die Kapelle die Nationalhymne intonierte. Herr Bürgermeister Höhne sprach dann über die Geschichte der Stadt. In seiner Rede ging er besonders auf die Bedeutung von Handel und Industrie ein und wie die Freiheitskriege gegen Napoleon zu einem völligen Niedergang der Wirtschaft geführt hätten. Erst allmählich erhole man sich jetzt wieder davon. Den größten Aufschwung hat bereits der Bergbau genommen. Er sprach seine Hoffnung aus, dass die neue Bahnlinie weiteren Aufschwung der Stadt bringen werde. Er würdigte auch die Stadt Hirschberg, die die dem Bahnbau wohltuend gegenüber stand. Sein Dank galt auch den Herrn Baudirektor Garke, Regierungs-Baumeister Gantzer und Regierungs-Assessor Meyer, welche von der Regierung beauftragt waren, dieses Vorhaben zu realisieren.

Nach Bürgermeister Höhne ergriff Direktor Garke das Wort. In launiger Weise widmete er ihm, als Vater des Schmerzenskindes, von dem er hoffe, dass es sich gedeihlich entwickeln möge, sein Glas. Bürgermeister Bassenge aus Hirschberg toastete auf das fernere Blühen, Wachsen und Gedeihen der Stadt Schmiedeberg. Danach erfolgten mehrere Toaste: Herr Teppichfabrikant Mende auf Bürgermeister Höhne, Herr Fabrikbesitzer Schneider auf das Eisenbahn-Regiment, Herr Kommerzienrat Ginzberg auf die Industrie, Herr Fabrikbesitzer Linke auf Herrn Mende. Die lange Reihe der Toaste wurde unterbrochen durch humoristische Tafellieder, die die Herren Eisenmänger, Himpe, Schweitzer und Teige gedichtet hatten. Für manche Ehrengäste schlug nun die Abschiedsstunde, denn der letzte Zug nach Hirschberg fuhr ab. Man begab sich zum Bahnhof, der durch bengalisches Feuer hell erleuchtet war. Zahlreiche Schmiedeberger hatten sich hier eingefunden, um die Gäste unter Hochrufen zu verabschieden.

Am 11. Juni 1882 konnte man dann im "Boten" eine abschließende Einschätzung lesen:

"Durch Eröffnung der Secundärbahn Hirschberg – Schmiedeberg ist es nun dem weniger Bemittelten und Zeitarmen möglich gemacht, den Glanzpunkt des Riesengebirges, die Schneekoppe zu besuchen. Wer mit dem Mittagszug um 1 Uhr von Breslau abfährt, ist um 5.26 in Hirschberg und 6.28 Uhr in Schmiedeberg. Hier kann er noch eine Partie in die nähere Umgebung machen. Zum Übernachten empfehlen sich die Hotels I. Klasse zum "Preußischen Hof", bei Hoflieferant Mohaupt, "Goldener Stern" von Hotelbesitzer Kuring und "Schwarzes Roß", bei Gastwirth Schreiber. Die ersten zwei stellen Omnibusse am Bahnhof auf und alle drei bieten guten Comfort bei zeitgemäßen Preisen. Außerdem sind einige gut eingerichtete Gasthöfe II. Klasse am Ort. Junge Leute und gute Fußgänger brechen zu Fuß zwischen 4 – 5 Uhr auf, sind zwischen 6 – 7 Uhr in Krummhübel und gehen entweder über das Gehänge zur Koppe oder wählen den Weg über Brückenberg an der Kirche Wang, Schlingel-, Hampel- und Riesenbaude vorbei, nach der Koppe, woselbst sie zwischen 9 – 10 Uhr anlangen. 12 Uhr auf der Koppe Aufbruch und denselben Weg zurück oder über die Grenzbaude nach Schmiedeberg, wo der Zug um 4.10 abgeht. In Breslau ist man dann um 9.34 Uhr. Weniger guten Fußgängern ist zu raten, sich hier eine Fuhre zu mieten und bis nach dem Waldhaus (Brückenberg, der Verfasser) zu fahren. Die Fuhre kann man hier stehen lassen und nach dem Besuch der Koppe wieder nach Schmiedeberg zurück zu fahren. Da der RGV für Wegweiser gesorgt hat ist ein Führer nicht notwendig, eventuell ein Gepäckträger."

Über den Zugbetrieb auf der neuen Bahnlinie gab es in den folgenden Jahren aber auch immer wieder Unmut. 1893 berichtete beispielsweise "Der Gebirgsfreund":

"Schon immer war darüber geklagt worden, dass die Fahrt auf der Hirschberg – Schmiedeberger Strecke eine ungewöhnlich zeitraubende sei. Die Fahrdauer schwankte bei den einzelnen Zügen zwischen 48 und 70 Minuten, stand also in gar keinem Verhältnis zu der kurzen Strecke. In dem neu herausgegebenen Sommerfahrplan für 1893 ist diesem Übelstand abgeholfen worden. Die Fahrzeit differiert jetzt nur zwischen 31 und 49 Minuten, es sind also ganz erhebliche Verkürzungen eingetreten. Mit besonderer Genugtuung wird die Beschleunigung des letzten Abendzuges von Schmiedeberg nach Hirschberg aufgenommen werden, welcher bisher volle 70 Minuten brauchte, da er allein in Zillerthal 20 Minuten Aufenthalt hatte. Dieser Zug geht jetzt 9 Uhr 55 Minuten von Schmiedeberg ab und ist bereits 10 Uhr 26 Minuten in Hirschberg, braucht also nur 31 Minuten. Außerdem sind zwei Züge von Hirschberg aus neu eingelegt worden, so daß deren jetzt 7 verkehren. Dieselben gehen in Hirschberg 12 Uhr 07 mittags und 6 Uhr 36 nachmittags ab; von Schmiedeberg trifft auch ein Zug mehr ein, welcher 7 Uhr 35 Minuten abends dort abgeht."

Der überaus rührige Magistrat von Schmiedeberg hatte sich nicht nur für die Bahnstrecke Hirschberg – Schmiedeberg stark gemacht, sonder verfolgte auch in den Jahren danach weitere Bahnpläne. So wollte man eine Bahnlinie nach den Grenzbauden und eine Querverbindung bis nach Krummhübel und dem westlichen Riesengebirge verwirklichen. Beide Projekte wurden nie verwirklicht. Verwirklicht wurde indessen die Nebenbahnstrecke Schmiedeberg – Landeshut, welche am 04. Juni 1905 eröffnet wurde.



Am Rathaus – Schmiederg


Eisenbahnviadukt Schmiedeberg – Landeshut
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